Todesacker
ganzen Stadt aufzustöbern gedachten. Es waren jede Menge Sorten zu haben. Die Brauereien brachten jedes Jahr Biere mit Namen wie Rocking Rudolph, Hark oder Black Christmas auf den Markt.
Doch Cooper würde keine Gelegenheit bekommen, sie zu probieren. Er würde seine Kollegen diese Woche nicht auf der Kneipentour begleiten, wie er es in den vorangegangenen Jahren getan hatte. Seine Prioritäten hatten sich in den letzten zwölf Monaten geändert, denn er war im Gegensatz zu früher kein Single mehr.
»Tja, wenn du mich an Weihnachten schon nicht begleitest, dann denk bitte wenigstens an die Taufe am Sonntag, ja?«, sagte Liz.
»Ich freue mich schon darauf. Ja, ehrlich.«
Liz’ beste Freundin hatte vor zwei Jahren einen Fitnesstrainer geheiratet, und am Sonntag sollte das erste Baby der beiden in Edendale getauft werden. Er sagte immer »erstes Baby«, da er die Freundin kennengelernt hatte und sich sicher war, dass sie noch einen ganzen Haufen Kinder bekommen wollte.
»Sie findet in der Kirche statt, also werden sich alle fein anziehen, Ben.«
»Ja?«
»Du hast doch einen Anzug mit Krawatte, oder?«
»Oh, äh … selbstverständlich.«
Cooper dachte an seinen Bruder, der sich vor kurzem zum ersten Mal in diesem Jahr in einen Anzug gezwängt hatte. Nachdem Matt inzwischen zu alt war, um am Young Farmers’ Christmas Ball teilzunehmen, war das Krippenspiel vor den Weihnachtsferien an Josies Grundschule sein einziges gesellschaftliches Ereignis gewesen. Im Gegensatz zu dem Märchenspiel war bei dieser Inszenierung jedoch die herkömmliche Handlung abgeändert worden. Es hatte keine Auftritte von Maria und Joseph gegeben. Nicht einmal das Christuskind war zu sehen gewesen. Stattdessen war die Geschichte von der Geburt Christi aus der Perspektive des Inhabers des Gasthauses in Bethlehem und seiner Familie erzählt worden, um die Bedeutung für deren Leben zu erforschen, nachdem sie mit dem plötzlichen Zustrom von Hirten und Weisen zurechtkommen mussten. Bestimmt konnten sich viele Gastwirte im Peak District in die schwierige Situation hineinversetzen, Touristen und Einheimische unter einen Hut zu bekommen.
Auf Matt hatte die Inszenierung allerdings keinen großen Eindruck gemacht. Mit zunehmendem Alter wurde er immer mehr zum eingefleischten Traditionalisten. Neue Ideen beunruhigten ihn.
In dieser Woche würde Ben noch mit dem Männerchor der Polizei in der Methodistenkirche singen, ein Konzert für ältere Bürger, gefolgt von einer Party für Kinder. Die Senioren waren verrückt danach, vor allem zur Weihnachtszeit. Außerdem war es gute Öffentlichkeitsarbeit.
Cooper erinnerte sich, als er Diane Fry nach ihrer Versetzung von der West-Midlands-Polizei nach Derbyshire kennengelernt hatte. Damals hatte sie für alles nur Spott übrig gehabt und war so gereizt gewesen, dass er es sich bald zur Angewohnheit gemacht hatte, ihre Bemerkungen völlig zu ignorieren. Als er ihr erzählt hatte, dass er im Chor sang, war sie erwartungsgemäß höhnisch gewesen. »Singst du Sopran?« , hatte sie gefragt. »Nein, Tenor.« Die Spitze war ihm erst viel später aufgefallen.
Nun ja, mittlerweile war Fry etwas umgänglicher geworden. Auf jeden Fall. Cooper runzelte leicht die Stirn. Es bestand natürlich auch die Möglichkeit, dass er einfach nur sehr gut darin geworden war, alles an sich abprallen zu lassen.
Als er den Schalthebel losließ, griff Liz nach seiner Hand und hielt sie einen Augenblick lang zärtlich fest.
»Danke, dass du mit mir zu dem Märchenspiel gegangen bist, Ben.«
Cooper empfand an diesem Abend ein Gefühl der Zufriedenheit, als er aus der Stadt hinaus nach Bakewell fuhr, um Liz nach Hause zu bringen. Unter ihnen markierte ein Lichtermeer die ausufernden Umrisse von Edendale, doch der größte Teil des Peak District lag in der Dunkelheit. Nach allem, was in seinem Leben geschehen war, schienen sich die Dinge endlich zum Guten zu wenden. Er hatte jemanden gefunden, der ihm etwas bedeutete. Und allem voran befand er sich an dem einzigen Ort auf der ganzen Welt, an dem er jemals leben wollte.
Mit einem Anflug blinder Wut packte Diane Fry ihre Schwester am Arm, zerrte sie zurück, sodass sie das Gleichgewicht verlor, und schubste sie aufs Bett.
»Hey!«, schnaubte Angie, schockiert über den plötzlichen Gewaltausbruch.
»Angie, was, zum Teufel, hast du vor?«
Diane hörte ihre eigene Stimme als gehässiges Fauchen. Sie klang schrecklich, doch sie konnte nichts daran ändern. Eine Flut von
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