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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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they’ll cut off your hand
It’s the place that I call home!
    Der Straßenhändler wandte sich der Tanzgruppe zu, die in das Lied einstimmte. Alle waren als chinesische Bauern verkleidet – mit farbenfrohen Tuniken und Kuli-Hüten. Binnen Minuten hatte sich das Geschehen auf die Straße vor dem Haus der Witwe Twankey verlagert, was bedeutete, dass bald der Herrscher Ping Pong mit seiner wunderschönen Tochter eintreffen würde.
    Im Royal Theatre in Edendale war beim Highlight des Jahres, dem alljährlichen Märchenspiel an Weihnachten, jeder Platz besetzt. Ben Cooper saß einige Reihen von der Bühne entfernt, hinter Dutzenden aufgeregten Kindern, die darauf warteten, bei jeder Gelegenheit zu buhen, zu pfeifen und »Oh, nein, hast du nicht!« zu rufen.
    Vom Textbuch zu Aladin gab es verschiedene Versionen, doch die Eden Valley Operatic Society schien sich für eine der politisch inkorrekteren Varianten entschieden zu haben. Nicht dass es in Aladin , wo Figuren wie Wishy Washy oder Inspector Chu von der chinesischen Polizei auftraten, überhaupt so etwas wie politische Korrektheit gegeben hätte. Besondere Bedenken hatte Cooper bei Abdulla O’Reilly, der im Programm als »irischer Schwachkopf« aufgeführt war, und bei Ugga-Wugga, dem Häuptling des Kannibalenstamms.
    Cooper wand sich auf seinem Sitz. Es waren schon wegen weniger eklatanter Beispiele rassistischen Humors kriminalpolizeiliche Ermittlungen eingeleitet worden. Doch hier handelte es sich um ein Märchenspiel für Kinder, das eine lange Tradition hatte. Schließlich ging niemand ins Theater, ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, was ihn erwartete, oder? Billige Witze, komische Namen, ein heiteres Durcheinander ethnischer Klischees.
    Liz, die neben ihm saß, stupste ihn an und flüsterte: »Ben, hast du dir schon überlegt, ob du am ersten Weihnachtsfeiertag mit zu meinen Eltern kommst?«
    »Nein«, flüsterte Cooper zurück.
    »Nein, du hast es dir noch nicht überlegt? Oder nein, du kommst nicht mit?«
    »Lass uns das später besprechen.«
    »Ja, gut. Aber du bist immer so beschäftigt.«
    Ein Chor von Buhrufen kündigte den ersten Bühnenauftritt des bösen Zauberers Abanazar an. Binnen Sekunden war klar, dass er als arglistiger Araber dargestellt wurde, der sich in eine chinesische Stadt verirrt hatte. Das verlieh den Textzeilen der Eröffnungssongs natürlich eine besondere Schärfe: » And if they don’t like your face, they’ll cut off your hand «, »und wenn ihnen dein Gesicht nicht gefällt, schneiden sie dir die Hand ab.«
    Cooper rutschte in seinem Sitz ein Stück tiefer und hoffte, nicht erkannt zu werden. Er war schon im Foyer von einem Dutzend Bekannten gegrüßt worden.
    Liz stieß ihn abermals an. »Was ist denn los?«
    »Nichts.«
    »Du schaust so unzufrieden aus.«
    »Danke.«
    »Gefällt dir das Stück nicht?«
    »Doch, es ist toll.«
    »Wir können aber noch nicht gehen. Nicht bevor meine Freunde ihren Auftritt hatten. Sie spielen chinesische Polizisten und treten erst in der zweiten Hälfte von Akt zwei auf.«
    Oh, Gott. Die chinesischen Polizisten. Ganz bestimmt würden ein paar Polizistenwitze gemacht werden, und die Leute würden ihn ansehen, wenn sie lachten.
    »Nein, alles in Ordnung, ich möchte nicht gehen. Hör auf zu reden, sonst werden die Leute noch sauer.«
    Jedes traditionelle Märchenspiel für Kinder hatte seine Standardfiguren. Es gab immer einen sehr offensichtlichen Bösewicht – in diesem Fall Abanazar, der eine große und anspruchsvolle Rolle innehatte, vor allem dann, wenn er seinen Turban und seinen Krummsäbel überzeugend tragen wollte. Und dann gab es natürlich noch die groteske alte Dame. In dieser Inszenierung führte die Witwe Twankey auf althergebrachte Weise eine chinesische Wäscherei, was die Voraussetzung dafür schuf, dass die üblichen uralten Witze gemacht werden konnten.
    Cooper warf einen Blick in sein Programm und kniff die Augen zusammen, um die Druckschrift im gedämpften Licht des Theaters lesen zu können. Viele der Namen auf der Besetzungsliste waren ihm vertraut. Auch wenn er nicht alle Darsteller persönlich kannte, waren ihm zumindest ihre Eltern mehrfach begegnet. Oder, im Fall der Kinder, ihre Großeltern. Doch bei den meisten handelte es sich um Menschen, mit denen er in einem positiven Zusammenhang in Kontakt gekommen war. Märchenspiele schienen ehrbare Bürger anzusprechen.
    »Worüber denkst du nach, Ben?«
    »Über nichts«, flüsterte er. »Ich sehe mir nur das

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