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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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sah ihm nach und schüttelte den Kopf über ihre Unfähigkeit, ihn zu verstehen, die ihr auch jetzt wieder bewusst wurde.
    Cooper hatte so vieles an sich, was sie ärgerte. Es ging ihr auf die Nerven, dass er dazu neigte, erhitzt und konfus zu wirken, als sei er gerade erst aufgestanden. Wenn er in letzter Zeit so wirkte, hatte er vermutlich mit dieser Liz Petty von der Spurensicherung im Bett gelegen. Vielleicht war es aber auch auf den Stress zurückzuführen, dem man ausgesetzt war, wenn man einer Obsession nach der anderen nachjagte. Zumindest sah er nicht mehr ganz so zerzaust aus wie früher, also hatte er vielleicht gelernt, selbst zu waschen und zu bügeln, seit er von der Farm seiner Familie in seine kleine Wohnung in der Welbeck Street gezogen war.
    Als Fry ihn kennengelernt hatte, war ihr vor allem seine Unordentlichkeit aufgefallen und seine unschuldige Ausstrahlung, die seinen Kollegen fehlte. Er hatte damals ausgesehen, als habe er noch vor kurzem die sechste Klasse am High Peak College besucht. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher, ob das, was sie sah, noch Unschuld war. Zunächst einmal war sein Haar nicht mehr ganz so zerzaust. Es fiel ihm nicht mehr in die Stirn, sondern war zurechtgemacht. Seine Krawatte hätte allerdings noch immer korrigiert gehört, und an seiner Lederjacke befand sich seit Monaten eine abgewetzte Stelle.
    Sie sah auf, als Cooper in seinem Wagen an ihr vorbeifuhr, und erhaschte einen Blick auf sein Profil. Aus heutiger Sicht war es erstaunlich, dass er überhaupt irgendwann einmal unschuldig gewirkt hatte.
    Fry erinnerte sich an den Tag, als er ihr von seinem Vater Sergeant Joe Cooper erzählt hatte und von dessen Tod auf den Straßen von Edendale durch eine Bande von Rowdys. »Drei von ihnen wurden wegen Totschlags zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, die anderen bekamen nur Bewährungsstrafen wegen Körperverletzung. Ersttäter, weißt du. Natürlich waren sie alle betrunken.« Und dann gab es da noch seine Mutter, die erst vor wenigen Monaten an ihrer psychischen Erkrankung und den damit verbundenen Komplikationen gestorben war, während Ben im Pflegeheim an ihrem Bett gesessen hatte.
    Fry wollte fair zu ihm sein, das wollte sie wirklich. In Anbetracht der Umstände war es ihrer Ansicht nach ohnehin erstaunlich, dass Cooper sich eine positive Lebensanschauung bewahrt hatte, von dem Mitgefühl, das er sooft für andere Menschen zeigte, ganz zu schweigen. Eigentlich hätte er zum Zyniker werden sollen. Er hätte ebenso zynisch werden sollen, wie sie es war. Sie fragte sich, wie es ihm gelang, das zu vermeiden.
    Bevor Fry Pity Wood verließ, warf sie noch einmal einen Blick hinter die innere Absperrung, um nachzusehen, wie die Arbeit an den sterblichen Überresten voranging. Das Flutlicht warf die Schatten der Anthropologen an die Seitenwände des PVC-Zelts. Der Leichnam kam Stück für Stück zum Vorschein, doch die Arbeit war mühsam.
    Irgendetwas Dunkles und Faseriges im Erdreich erregte Frys Aufmerksamkeit. Zunächst erkannte sie nicht, was es war. Dann wurde ihr bewusst, dass es sich um ein Büschel schwarzer Haare handelte, die sich vom Kopf gelöst hatten.
    In gewisser Weise fand sie es erträglicher, wenn ein Leichnam bereits zu verwesen begonnen hatte. Wenigstens sah er dann eindeutig tot aus. Frische Leichen waren verstörender, da sie noch etwas Lebendiges an sich hatten, als könnten sie jeden Moment aufspringen und ganz normal weiterleben. In solchen Fällen war es schwierig, von den charakteristischen Merkmalen eines toten Körpers unberührt zu bleiben – von der Kälte, von der völligen Reglosigkeit und von dem Wissen, dass soeben ein Menschenleben ausgelöscht worden war.
    In anderer Hinsicht war ein Leichnam, der jahrelang unentdeckt und unidentifiziert in einem seichten Grab gelegen hatte, eine besonders traurige Angelegenheit. Irgendwo musste es Angehörige und Freunde geben, die sich noch jetzt fragten, was mit dieser Frau geschehen war.
    Fry war sich darüber im Klaren, dass ihr die Hand noch eine ganze Weile in Erinnerung bleiben würde. Sie war zu einer Geste gekrümmt, grüßend, beinahe einladend. Es hatte fast den Anschein, als begrüßte die Tote ihre Besucher, als lockte sie sie hinunter in ihr Grab.
    Sie hatte lange darauf gewartet, Gesellschaft zu bekommen. Und es musste einsam gewesen sein dort unten.

6
    Oh, I’m a man from a distant land,
A place where camels roam
It’s hot and flat, and dry as bone
And if they don’t like your face,

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