Todesacker
Programm an.«
»Denkst du etwa an die Arbeit?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Daran ist gar nichts ›natürlich‹. Ich kenne dich doch.«
Cooper überflog die Liste und sah die Namen der chinesischen Polizisten. Bis auf Inspector Chu waren alle Darsteller Frauen. Und ihre Namen stammten alle aus der Gegend: Beeley, Holmes, Wragg, Marsden, Brindley. Letztere war vermutlich mit dem Schauspieler verwandt, der Abanazar spielte, da beide denselben Nachnamen hatten. Er war sich nicht sicher, nach wem von ihnen er Ausschau halten sollte.
»Liz, wie heißen deine Freundinnen gleich wieder?«
»Cheryl Hague und Harriet Marsden.«
»Hague? Kenne ich die?«
»Wahrscheinlich.«
»Ist das die attraktive Blondine, die wir letzte Woche im Pub getroffen haben?«
»Hey, hattest du nicht gesagt, wir sollen uns nicht unterhalten?«
Abanazar wurde von einem Sturm von Buhrufen und Gejohle begrüßt, als er, die Zauberlampe triumphierend hochhaltend, eine Felsbrockenattrappe vor den Höhleneingang rollte, um Aladin einzukerkern. Das bedeutete, dass bald ein Dschinn erscheinen würde.
Cooper schielte zu Liz hinüber, doch sie war völlig in die Vorstellung vertieft. Und sie hatte recht – allmählich kannte sie ihn tatsächlich. Sie waren jetzt seit ein paar Monaten ein Paar, wesentlich länger, als alle seine früheren Beziehungen gehalten hatten. Was ihm daran gefiel, war unter anderem die Tatsache, dass er ständig neue Seiten ihres Charakters entdeckte und einen Einblick in unvermutete Bereiche ihres Lebens gewann. Sie überraschte ihn stets aufs Neue. Da Weihnachten vor der Tür stand, hatte sie sogar seiner Katze ein Geschenk gekauft.
Bis vor ein paar Tagen war ihm nicht bewusst gewesen, dass Liz sich für Märchenspiele interessierte. Vermutlich konnte er von Glück reden, dass sie nicht selbst in einem Kostüm dort oben auf der Bühne stand. Gott behüte, sie könnte womöglich sogar versuchen, ihn zu überreden, dem Ensemble beizutreten.
Cooper schauderte und zog sein Jackett enger zusammen, um den Eindruck zu vermitteln, als zitterte er nicht vor Abscheu, sondern vor Kälte.
»Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist, Ben?«
»Alles bestens. Ich genieße jeden Augenblick.«
Und dann kamen sie endlich, die komischen Polizisten. Eine kleine Truppe von ihnen, sechs oder sieben Frauen unterschiedlicher Größe, die mit Uniformröcken und Strumpfhosen bekleidet waren und kleine ulkige Knüppel trugen. Ihre nach unten gekrümmten Fu-Manchu-Schnurrbärte machten sie unkenntlich, doch Liz schien zufrieden damit zu sein, ihnen willkürlich zuzujubeln.
Tja, vielleicht würden sie den Bösewicht tatsächlich verhaften, dann konnte Cooper ihnen auch zujubeln. Doch bis dahin mussten sie sich noch etliche fürchterliche Witze anhören.
Als Aladin vorbei war, strömten sie mit der Menge aus dem Theater nach draußen und hofften, irgendwo etwas essen zu können, bevor alle Restaurants voll waren. Es war nicht die erste Aladin -Vorstellung gewesen, die Cooper besucht hatte. Er erinnerte sich, als Teenager dasselbe Stück im selben Theater gesehen zu haben. Vermutlich hatte er insgesamt sogar drei oder vier leicht unterschiedliche Inszenierungen davon gesehen.
Es gab nur eine Handvoll traditioneller Märchenspiele, und die schienen regelmäßig neu aufgeführt zu werden, als gäbe es einen strengen Turnus. In einem Jahr Aschenputtel , im nächsten Mutter Gans . Allerdings hatte er gehört, dass manchmal auch andere Geschichten verwendet wurden. Peter Pan , Sindbad, der Seefahrer , Robinson Crusoe . Robinson Crusoe ? Eine Geschichte mit nur zwei Figuren? Vielleicht sollte er irgendwann einmal ein wenig abenteuerlustig sein und sich auf die Suche nach einer Vorstellung machen, damit er sah, wie die Handlung hingebogen wurde, um eine groteske alte Dame auf eine verlassene Insel zu verfrachten.
Der Jahrmarkt im Victoria Park mit seinen Fahrgeschäften war in vollem Gang. Ein Riesenrad ließ grüne Lichter über den Park kreisen, während es sich drehte, und ein Karussell sorgte dafür, dass die Gesichter der Menge pinkfarben leuchteten. An die Besucher wurden kostenlos Plätzchen und Glühwein verteilt.
Die Vorweihnachtszeit war mit Abstand die geschäftigste Jahreszeit im gesellschaftlichen Kalender von Edendale. Gegen Ende der Woche war eine Kneipentour der E-Division geplant. Eine weitere alljährliche Tradition. In diesem Jahr hatten sich die Organisatoren ein Motto ausgedacht: Saisonbier, das sie in der
Weitere Kostenlose Bücher