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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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im Regen stehen und hätten einen lieber vor ihren Augen ertrinken sehen, als einen über ihre Türschwelle zu lassen. Wenn man während eines Platzregens eine Adresse in der Devonshire-Wohnsiedlung aufsuchte, tat man gut daran, einen Regenschirm dabeizuhaben oder einen Durchsuchungsbefehl.
    Hier draußen erwartete man von den Anwohnern jedoch ein bisschen Mitgefühl und ging davon aus, dass sie einen nicht vor ihrer Tür stehen ließen, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Doch genau das tat die Bewohnerin des ersten Hauses, die zwar zugab, von den Suttons von der Pity Wood Farm gehört zu haben, aber behauptete, weder über sie noch über irgendjemanden, der dort gearbeitet hatte, etwas zu wissen. Beim zweiten Haus bekam er dieselbe Antwort. Und beim dritten ebenfalls.
    Cooper legte eine Pause ein, ehe er beim letzten Haus in der Reihe klingelte, und nahm die Ortschaft in Augenschein. Weihnachtsdekoration war in Rakedale kaum zu sehen, doch das galt für viele Ortschaften im Peak District. In Edendale waren die Straßen mit Lichterketten geschmückt, und bei fast jedem Geschäft war im ersten Stock an der Fassade ein Weihnachtsbaum befestigt, geschmückt und bereit, beleuchtet zu werden, sobald es dunkel wurde. Eine ähnliche Dekoration war auch in anderen Orten zu finden, wie etwa in Castleton oder Bakewell.
    Doch es bestand ein Unterschied. Manche Ortschaften waren auf Einkünfte aus dem Tourismus angewiesen, um überleben zu können. Andere legten dagegen keinen Wert darauf, ein Touristenziel zu sein. Ganz im Gegenteil: Die Bewohner dieser Ortschaften wollten nicht, dass Besucher ihre Straßen verstopften und in ihre Gärten spähten. Es gab dort keine Besucherzentren, keine hilfreichen Wegweiser, keine Teestuben oder Rastplätze. Durch einige von ihnen konnte man fahren, sooft man wollte, und fand trotzdem keine Parkmöglichkeit. »Weiterfahren«, lautete ihre Botschaft.
    Das letzte Cottage in der Reihe stand leer, und von der Eingangstür blätterte grüne Farbe ab. In einer kleinen Seitenstraße entdeckte Cooper am Waldrand einen Bungalow aus den 1950er-Jahren, der mit Weihnachtslichterketten geschmückt war. Im Garten bellte ein angeketteter Schäferhund. Cooper war der Ansicht, dass der Bungalow vielversprechender wirkte als die anderen Häuser. Doch ärgerlicherweise handelte es sich dabei um die erste Adresse auf seiner Liste, wo niemand zu Hause war. Er vermerkte das auf seinem Formular und ging zurück zu der Methodisten-Kapelle, wo er seinen Wagen geparkt hatte.
    Die Kapelle war ein eckiges, schlichtes Gebäude, das zwischen zwei Farmen stand. Der Anschlagtafel zufolge handelte es sich um eine Kapelle der »Primitive Methodist Church«. Der Name klang ein wenig beunruhigend, war aber erstaunlich passend.
    Die Tatsache, dass es in Rakedale keine Pfarrkirche gab, verriet Cooper einiges über die Ortschaft. Er erinnerte sich an die ehemalige gesellschaftliche Teilung in ländlichen Gemeinden: eine Kapelle für die Arbeiter, eine Kirche für den Gutsherrn. In solchen nonkonformistischen Kapellen hatte die Arbeiterklasse erstmals gelernt, ihre eigene Meinung zu äußern, sich selbst zu bilden und sich zu organisieren. Sie waren ein natürlicher Nährboden für Gewerkschaften gewesen. Nachdem die Menschen in den Genuss religiöser Freiheit gekommen waren, wünschten sie sich auch gesellschaftliche und politische Freiheit. In einigen uralten Ortschaften wurde die Pfarrkirche noch immer mit der Macht des Gutsherrn in Verbindung gebracht und galt als Symbol für Knechtschaft. Der Priester war vom Gutsherrn bezahlt worden und predigte, was dieser hören wollte.
    Aber nicht in Rakedale. Die nächste Pfarrkirche befand sich vermutlich in Biggin oder in Hartington. Hier hatten die Bewohner der Ortschaft außer Sichtweite eines Gutsherrn oder Landbesitzers gewohnt. Und wenn der Priester versucht hätte, ihnen einen Besuch abzustatten, wäre er schon aus meilenweiter Entfernung zu sehen gewesen.
     
    Fry war zu einer Schlussfolgerung gekommen: Schlamm musste in Rakedale eine vollkommen normale Erscheinung sein. Sie hatte vor jeder Haustür Bürsten und Kratzeisen für Besucher mit schmutzigem Schuhwerk gesehen. Nicht dass es ihr oft gestattet worden wäre, weiter als bis zum Türvorleger vorzudringen, doch das Vorhandensein eines Kratzeisens ließ zumindest vermuten, dass diese Möglichkeit bestand.
    Auch in anderer Hinsicht schien niemand, mit dem sie gesprochen hatte, überrascht gewesen zu sein, sie zu sehen, als seien

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