Todesacker
Widerstand. »Sie wünscht, dass wir von den Forensik-Spezialisten umfassend informiert werden. Mit anderen Worten, wir sollen von ihrer Fachkenntnis ausgiebig Gebrauch machen, solange sie auf unserer Gehaltsliste stehen. Superintendent Branagh ist überzeugt, dass wir von diesen Einblicken alle profitieren werden.«
Murfin machte daraufhin Geräusche, als würde er sich jeden Moment übergeben müssen. Hitchens sah ihn an.
»Und sie hat betont, dass das für das ganze Team gilt.«
Als Dr. Jamieson eintrat, wirkte er völlig überrascht, sich in einem Besprechungszimmer mit einem Haufen Detective Constables wiederzufinden, die alle glaubten, sie hätten eigentlich etwas Besseres zu tun. Cooper fragte sich, wer ihm wohl Daumenschrauben angelegt hatte. Die mysteriöse Superintendent Branagh vielleicht?
Jamieson schlug sich trotz der frostigen Atmosphäre wacker. Nachdem er seinen Laptop und eine Leinwand aufgestellt hatte, begann er in professioneller Manier mit seinem Vortrag.
»Nun, es gibt vier Dinge, die wir anhand von verwesten oder skelettierten sterblichen Überresten zu bestimmen versuchen«, sagte er. »Das Geschlecht, die ethnische Abstammung, das Alter und die Statur.«
»Und die Todesursache?«, fragte jemand hoffnungsvoll.
Jamieson drehte sich zu Hitchens um. »Inspector, Sie wissen doch, dass ich nicht …«
»Ja, ich weiß. Fahren Sie fort, Doktor.«
Der Anthropologe zögerte. »Gut. Also, machen wir weiter. Als Erstes werfen wir einen Blick auf das Geschlecht.«
Er schien aus dem Augenwinkel Gavin Murfins Gesichtsausdruck zu sehen und korrigierte sich hastig.
»Äh... als Erstes bestimmen wir das Geschlecht. Bei Erwachsenen ist die Geschlechtsbestimmung in der Regel einfach, sofern die sterblichen Überreste die Beckenknochen beinhalten. Das Becken einer Frau ist normalerweise breiter als das eines Mannes. Es muss bei Frauen breiter sein, da es den Geburtskanal umgibt und der Kopf eines Babys zwischen den Schambeinen durchpassen muss. Ohne die Schambeine sinken die Chancen, das Geschlecht korrekt zu bestimmen. Normalerweise ist der Größenunterschied ein eindeutiges Kriterium, allerdings gibt es im mittleren Bereich ein gewisses Maß an Überschneidung. Bei ungefähr zehn Prozent aller Menschen liegt die Beckenbreite in diesem mittleren Bereich.«
»In Edendale laufen einige sehr dicke junge Frauen herum.«
»Das ist keine Frage von Fettleibigkeit«, sagte Jamieson, »sondern von Körpergröße, Schulterbreite, Knochendichte...«
»Und in diesem Fall …?«
»In beiden Fällen war das Becken eindeutig weiblich. Das war sogar schon vor Ort offensichtlich. Sowohl bei Opfer A als auch bei Opfer B ist das Becken an den Hüften breiter, mit erhabenem Kreuzbein-Darmbein-Gelenk, breiter Ischias-Kerbe und einem größeren Winkel unterhalb des Schambereichs. All das gehört zur Gebäranatomie. Der Schädel kann ebenfalls eine Hilfe sein, allerdings …«
»Wir haben keine zwei Schädel.«
»Nicht bei Opfer B. Da haben wir keinen.«
Jamieson hielt inne und wartete, ob noch jemand eine Frage stellen wollte. »Nun, wir werden oft gebeten, uns zur ethnischen Abstammung zu äußern. Aber das wird immer schwieriger. Einige Besonderheiten bestimmter Ethnien sind am Skelett zu erkennen, doch es gibt viele Abweichungen, auch bei Gruppierungen, die traditionellerweise unvermischt sind. Von Opfer A haben wir den Haarschopf, der sich vom Schädel gelöst hat. Wie Sie auf dem ersten Bild erkennen können, ist das Haar dunkelbraun und leicht gewellt. Das und die Form der Zähne lassen darauf schließen, dass es sich bei der Toten um eine Weiße handelt, auch wenn die verfärbte Haut irreführend gewesen sein mag.«
»Und Opfer... ich meine, die zweite Frau?«, sagte Fry.
»Das können wir nicht mit Sicherheit sagen, Sergeant. Der vollständig skelettierte Leichnam und das Fehlen des Schädels – tja, tut mir leid, aber...«
»Okay.«
»Nun zum Alter. Mit etwa zwanzig Jahren ist beim Menschen das Knochenwachstum weitgehend abgeschlossen, die Epiphysen sind verbunden, und die Zähne sind vollständig kalzifiziert. Deshalb betrachten wir mehrere verschiedene Strukturen: die Schädelnähte, die Schlüsselbeine, das Becken.«
Jamieson präsentierte eine weitere Serie von Fotos auf der Leinwand.
»Bei Opfer A waren die Beckenknochen dicht und glatt, mit auffallend geringer Maserung – die Knochen einer erwachsenen, aber noch jungen Frau. Ihre Schlüsselbeine waren noch nicht ganz ausgewachsen, und die
Weitere Kostenlose Bücher