Todesacker
dachte, es würde sexuelles Verlangen unterdrücken. Es wurde in psychiatrischen Anstalten mit ausschließlich männlichen Insassen ins Essen gemischt. Haben Sie Einer flog über das Kuckucksnest gesehen?«
»Den Spielfilm mit Jack Nicholson?«
»Genau. Tja, in dem Film sagt der Typ, den Nicholson spielt, er hätte Angst davor, dass ihm in der psychiatrischen Anstalt, in die er gesteckt wird, Kaliumnitrat ›untergejubelt‹ werden könnte. Das war damals eine gängige Methode, um das Verhalten der Patienten zu kontrollieren.«
»Nicht schlecht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob uns das weiterhilft.«
»Ist Kaliumnitrat ein natürliches Produkt, oder wird es künstlich hergestellt?«, fragte Cooper.
»Es ist ein natürlich vorkommendes Mineral«, erklärte Hitchens. »Die wichtigsten Quellen waren traditionellerweise die kristallisierten Ablagerungen an Höhlenwänden oder der Abfluss von Misthaufen. Ammoniak aus zersetzten Harnstoffen, wissen Sie.«
»Wir verstehen schon«, sagte Fry.
»Aber es kann auch hergestellt werden. Die alte Methode war, Mist, Holzasche und Erde mit organischen Materialien wie zum Beispiel Stroh zu mischen.«
Cooper nickte. »Ein Komposthaufen sozusagen.«
»Genau. Aber man nannte sie Salpeterbetten, was netter klingt, nehme ich an. Die wurden auf, äh... traditionelle Art und Weise mit Urin feucht gehalten und gewendet, um den Fäulnisprozess zu beschleunigen. Nach einem Jahr wurden sie mit Wasser gelaugt, und die resultierende Flüssigkeit war reich an Nitraten, die anschließend zu Kaliumnitrat umgewandelt, kristallisiert und für Schießpulver verwendet werden konnten.«
»Dann ist Kaliumnitrat also explosiv?«, erkundigte sich Fry.
»Kaliumnitrat allein nicht. Es besitzt allerdings noch eine nützliche Eigenschaft, vor allem für Hersteller von Feuerwerkskörpern. Mit Zucker gemischt, produziert es eine Rauchwolke mit dem sechshundertfachen Volumen. Für Rauchbomben ist das eine tolle Sache.«
»Und wie tötet es Baumstümpfe ab?«
»Es tötet sie nicht wirklich ab. Man muss den Stumpf vorher selbst abtöten, dann sorgt Kaliumnitrat dafür, dass er schneller verrottet.«
»Moment mal«, warf Cooper ein. »Diese Komposthaufen – sagten Sie, die wurden ›Salpeterbetten‹ genannt?«
»So ist es. Die gebräuchliche, nicht wissenschaftliche Bezeichnung für Kaliumnitrat lautet …«
»… Salpeter?«
»Richtig.«
Cooper stellte fest, dass er nicht im Geringsten überrascht war. Es schien perfekt zu dem zu passen, was er bereits über die ehemaligen Besitzer der Pity Wood Farm und über andere Bewohner von Rakedale erfahren hatte.
»Kaliumnitrat wird in Edgar Allen Poes Kurzgeschichte Das Fass Amontillado zur Auskleidung der Gruft verwendet, in der Montresor Fortunado bei lebendigem Leib beisetzt. Deshalb hat er in seinen letzten Augenblicken solche Probleme beim Atmen. › Bei der Liebe Gottes, Montresor! ‹«
»Hat nicht die IRA eine Zeit lang bei der Herstellung ihrer Bomben Salpeter verwendet?«, sagte Fry. »Ich habe in Erinnerung, dass es auf die rote Liste gesetzt wurde und nicht frei verkauft werden durfte.«
Hitchens lachte. »Man kann aus Zucker und Düngemittel Bomben basteln, also warum sollte sich jemand Sorgen wegen Salpeter machen?«
»Außerdem wurde ihm nachgesagt, dass es krebserregend wäre.«
»Ich glaube nicht, dass sich jemand Sorgen wegen Krebs oder Bomben gemacht hat«, sagte Cooper.
»Ach ja?«
»Dieses andere Zeug in der Küche – waren da zufällig auch Sesamsamen dabei?«
»Ja, die waren auch dabei«, sagte Hitchens. »Wie, in aller Welt, sind Sie denn darauf gekommen, Ben?«
Er musste Amy noch einmal nach dem genauen Wortlaut fragen, doch er glaubte, sich ziemlich gut an das Rezept erinnern zu können.
Man drücke das Blut aus der Hand, balsamiere sie in einem Leichentuch ein und tauche sie dann in eine Lösung aus Salpeter, Salz und Pfeffer. Anschließend trockne man sie in der Sonne. Die Kerzen werden aus dem Fett eines Gehängten, aus Wachs und aus Lappland-Sesam hergestellt.
»Ich würde gerne eine Prognose abgeben«, sagte er. »Falls wir noch eine Leiche auf der Pity Wood Farm finden, wird ihr eine Hand fehlen.«
Dank des Internets wusste Cooper binnen weniger Minuten, wie Kaliumnitrat hergestellt wurde. Der praktische Teil war einfach. Man konnte entweder festen Dünger in kochendem Wasser auflösen oder flüssigen Dünger einkochen, bis sich Kristalle bildeten. Sobald die Lösung auf Zimmertemperatur abgekühlt
Weitere Kostenlose Bücher