Todesakt: Thriller (German Edition)
sich auf die Stille. Zum Glück war ihre Taschenlampe so klein, dass sie sie in derselben Hand halten konnte wie die Pistole. Sie schaltete sie ein und ging rasch durch die Diele.
Als sie um die Ecke bog, stellte sie fest, dass Boscos Haus einen offenen Grundriss hatte. Jemand hatte alles auf den Kopf gestellt. Überall auf dem Sofa und dem Couchtisch lagen verstreut CDs und DVDs. Während die Küche unberührt zu sein schien, hatte jemand den Inhalt eines Wandschranks neben dem großen Flachbildfernseher herausgerissen und auf den Boden geworfen.
Die beiden Räume mit Meerblick, einer mit einem riesigen offenen Kamin, nahmen den Großteil des Erdgeschosses ein. Lena tastete sich durch die Dunkelheit. Alles blieb still und reglos. Doch als sie die Treppe erreichte, spürte sie, dass sich etwas verändert hatte, und hielt inne.
Sie hörte die Wellen an die Felsen unterhalb der Klippen schlagen, wobei das Geräusch ihr plötzlich lauter als vorhin erschien.
Sie drehte sich um und hastete durchs Wohnzimmer. Eine der Schiebetüren stand offen. Lena schaltete die Taschenlampe aus und spähte nach draußen. Zwei Männer rannten über den Rasen. Das eingezäunte Grundstück reichte bis zum Rand der Klippe.
Lena stürmte von der Terrasse in den Garten. Die beiden Männer schauten sich immer wieder ängstlich und aufgeregt um. Lena hörte, wie sie schwer atmeten, und sie stolperten eher, als dass sie rannten. Als die beiden endlich den Lattenzaun erreichten, versuchten sie unbeholfen, auf die andere Seite zu springen. Doch leider waren sie beide nicht gerade zierlich gebaut und zu schwer für solche akrobatischen Übungen.
Lena knipste die Taschenlampe an und hob die Pistole.
»Stehen bleiben, oder ich schieße!«, rief sie.
Die Männer erstarrten. Sie klammerten sich noch immer an den Zaun; ihre Beine baumelten über dem Boden. Es war dunkel und windig. Irgendwo im Viertel bellte ein Hund. Lena kam näher, leuchtete die Eindringlinge mit der Taschenlampe an und musterte sie abschätzend. Eine Weile verging, eher einer der beiden endlich mit gepresster Stimme das Wort ergriff.
»Ich kann mich nicht länger festhalten«, sagte er. »Ich muss runter.«
»Ich auch«, stimmte sein Begleiter zu.
»Dann also los«, entgegnete Lena. »Springen Sie, und dann drehen Sie sich mit erhobenen Händen um. Und überlegen Sie sich sehr gut, was Sie tun. Keine faulen Tricks, sonst sind Sie tot.«
Sie trat ein Stück zurück, um für den Fall, dass sie abdrücken musste, genug Platz zu haben. Dabei hoffte sie, dass die zwei keine Dummheiten machten und sie nicht zwangen, etwas zu tun, das sie später bereuen würde. Sie beobachtete, wie sich die Männer vom Zaun lösten. Es war zwar nur ein guter halber Meter bis zum Boden, doch sie mussten sich abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren – ein wenig zu lange für Lenas Geschmack.
»Umdrehen«, befahl sie noch einmal. »Und Hände hoch.«
Die Männer zögerten. Lena spürte, wie ihr Herz zu klopfen begann.
»Ich sagte, Hände hoch.«
Nichts passierte. Lena konnte die Hände der Männer noch immer nicht sehen. Die beiden waren Dummköpfe. Sie trieben Spielchen mit ihr. Lena drückte ab, sodass ein Geschoss etwa einen halben Meter über den Köpfen des Duos im Zaun einschlug. Die Männer machten vor Schreck einen Satz. Während der Schuss noch über dem Meer verhallte, hoben sie endlich die Hände und drehten sich um.
Lena blieb beinahe das Herz stehen.
Der Oberstaatsanwalt von Los Angeles und sein Handlanger, den er wieder aus der Mottenkiste geholt hatte. Jimmy J. Higgins und Jerry Spadell. Die Meeresbrise war nicht sehr gnädig mit Spadell gewesen, denn sie hatte sein miserabel gefärbtes Haupthaar tatsächlich als billiges Toupet enttarnt. Nun flatterte es wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln auf seinem kahlen Schädel.
Higgins machte einen Schritt auf Lena zu.
»Waffe runter, Detective. Schluss mit den Mätzchen.«
Lena verzog das Gesicht. Sie spürte, wie tief in ihr eine unbändige Wut aufstieg, und sie wusste nicht, ob sie sich lange würde beherrschen können. Higgins hatte den Zustand eines Stücks Scheiße schon mehrere Lichtjahre hinter sich gelassen.
»Wann ich die Waffe runternehme, bestimme immer noch ich, Mr Oberstaatsanwalt. Und jetzt gehen wir ins Haus und reden. Die Regeln gelten weiterhin. Wenn einer von Ihnen beiden Dummheiten macht, schieße ich.«
Ein taubes Gefühl breitete sich in Lenas Körper aus. Die Situation war unfassbar.
Weitere Kostenlose Bücher