Todesangst
Aber Hayes erforschte das Hormon nicht isoliert. Ihm war klar, daß - ebenso wie die Absonderung von Sexual- und Wachstumshormonen irgendwie ausgelöst wird - es auch einen Auslösewirkstoff für dieses ›Todeshormon‹ geben mußte. Er stieß dabei auf den Lebensrhythmus der Lachse, die kurz nach dem Laichen sterben. Ich vermute, daß er Lachsköpfe sammelte und aus den Gehirnen den Auslösewirkstoff für das Todeshormon isolierte. Ich glaube, daß sich seine Arbeit im Labor der Gene Incorporated darum drehte. Und als er diese auslösende Substanz isoliert hatte, ließ er sie von Helene Brennquivist im GHP-Labor durch DNA-Rekombination in erheblichem Umfang reproduzieren.«
»Und welchen Grund sollte Hayes gehabt haben, diese Substanz zu produzieren?«
»Ich nehme an, daß er hoffte, einen monoklonalen Antikörper entwickeln zu können, mit dem man die Absonderung dieses Todeshormons verhindern und damit den Alterungsprozeß anhalten könne.« Plötzlich ging ihm auf, was Hayes damit gemeint hatte, als er zu Carol Donner gesagt hatte, seine Entdeckung würde »ihrer Schönheit nützen« - sie könnte zur Bewahrung jugendlich-schönen Aussehens führen.
»Und was würde passieren, wenn man jemandem diese auslösende Substanz verabreicht?«
»Es käme zur ›Einschaltung‹ des ›Todesgens‹ und somit zur Produktion des Alterungshormons, ganz wie beim Lachs - und mit ziemlich genau den gleichen Folgen. Der Betreffende würde innerhalb von drei bis vier Wochen alt werden und sterben. Und niemand könnte sagen, wieso eigentlich. Und genau das bringt mich nun zum schlimmsten Aspekt bei der ganzen Sache. Ich glaube nämlich, daß irgend jemand sich in den Besitz des von Helene Brennquivist im GHP-Labor künstlich erzeugten diesbezüglichen Hormons setzte und damit begann, es unseren Patienten zu verabreichen. Der Betreffende, wer immer das sein mag, muß verrückt sein - aber ich bin überzeugt davon, daß es so abgelaufen ist. Hayes kam der Sache offenbar auf die Spur, wahrscheinlich, als er seinen Sohn besuchte - und man verabreichte ihm selbst dieses Todeshormon. Und wenn er nicht in dieser Nacht gestorben wäre, hätte man ihn auf andere Weise umgebracht.«
»Wie hast du das herausgefunden?« flüsterte Shirley.
»Ich habe die Forschungswege von Hayes gedanklich nachvollzogen und bin dann auch seinen tatsächlichen Wegen gefolgt. Als Helene Brennquivist ermordet wurde, war ich sicher, daß Hayes die Wahrheit gesagt hatte, sowohl was seine Entdeckung betraf als auch seine Behauptung, es trachte ihm jemand nach dem Leben.«
»Aber sie wurde doch von einem unbekannten Vergewaltiger getötet.«
»So sah das zwar aus - aber nur, um damit die Polizei irrezuführen bezüglich des Tatmotivs. Ich hatte immer das Gefühl, daß sie erheblich mehr über Hayes’ Arbeiten wußte, als sie uns sagte. Und als ich dann erfuhr, daß sie ein Verhältnis mit Hayes hatte, war ich mir diesbezüglich ganz sicher.«
»Aber wer kann denn unsere Patienten umbringen wollen?« fragte Shirley Montgomery verzweifelt.
»Ein Mensch mit einem krankhaften Verhältnis zur Gesellschaft, ein Massenmörder, der bereit ist zur Ausrottung ganzer Menschengruppen, weil ihm dies oder jenes an ihnen nicht paßt. Ich ließ mir heute abend in der Klinik einen Computerausdruck von den Überlebenskurven und Todesfallkurven machen. Die Ergebnisse waren unglaublich: Wir hatten eine enorme Steigerungsrate bei der Sterblichkeit von GHP-Patienten über Fünfzig, die chronisch krank waren oder einen hohen Anteil von Risikofaktoren aufgrund ihrer Lebensweise hatten.« Plötzlich hielt Howard inne - »Verdammt!«
»Was ist los?« fragte Shirley und schaute nervös um sich, als ob die Gefahr in jedem Winkel lauere.
»Ich habe etwas vergessen. Ich habe mir die Kurven Monat für Monat ausdrucken lassen - aber nicht gezielt für jeden Arzt!«
»Und du meinst, einer der Ärzte steckt dahinter?« fragte Shirley Montgomery ungläubig.
»Alles spricht dafür. Ein Arzt - oder vielleicht auch eine Schwester. Diese Auslösesubstanz muß ein Polypeptid-Protein sein, das gespritzt wird. Bei oraler Verabreichung würde es durch die Magensäfte unwirksam gemacht werden.«
»O mein Gott!« Shirley verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Und da meinte ich, wir hätten mit den bisherigen Problemen schon genug Schwierigkeiten!« Sie holte tief Luft und blickte hoch. »Besteht nicht doch die Möglichkeit, daß du dich täuschst, Jason? Vielleicht hat sich der Computer vertan.
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