Todesangst
haben während der letzten Jahre viel Zeit darauf verwendet - waren darauf gerichtet, den Alterungsprozeß zu verlangsamen. Sie haben sich dabei meist mit Zellen in Zellkulturen beschäftigt, gelegentlich freilich auch mit Ratten und Mäusen. Die meisten Forscher kamen zu dem Schluß, daß Altern ein natürlicher Prozeß auf genetischer Grundlage unter dem Einfluß neuroendokrinologischer, immunologischer und humoraler, also auf die Körpersäfte bezogener Faktoren ist.«
»Ich kann schon fast nicht mehr folgen«, behauptete Shirley in gespielter Verzweiflung.
»Na, dann würde dir doch bestimmt ein Drink guttun«, schlug Howard vor und erhob sich.
»Was hast du denn da?«
»Bier zum Beispiel oder Wein, aber auch härtere Sachen. Du brauchst nur zu wählen.«
»Ein Bier wäre, glaub ich, gut.«
Er ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und nahm zwei Flaschen Bier heraus.
»Ihr Ärzte seid doch alle gleich«, klagte die junge Frau und nahm einen Schluck. »Bei euch muß immer alles sofort kompliziert klingen.«
»Es ist auch kompliziert«, verteidigte er sich und setzte sich wieder. »Molekulargenetik befaßt sich mit den fundamentalen Grundlagen des Lebens überhaupt. Forschungen auf diesem Gebiet sind irgendwie unheimlich, nicht nur, weil die Wissenschaftler dabei unbeabsichtigt neue und tödliche Bakterien oder Viren schaffen könnten. Selbst wenn alles gutgeht, sind sie unheimlich, denn man spielt dabei mit dem Leben selbst. Die Tragödie von Alvin Hayes war nicht, daß er versagte; sie lag vielmehr darin, daß er Erfolg hatte.«
»Und was hat er nun entdeckt?«
»Einen Moment noch, bitte.« Jason Howard nahm einen großen Schluck von seinem Bier und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Laß es mich mal von einer anderen Seite her versuchen. Wir alle kommen ungefähr zur gleichen Zeit in die Pubertät, und sofern keine wesentlichen Krankheiten oder Unfälle dazwischenkommen, altern und sterben wir auch alle um etwa die gleiche Zeit - jeweils in Lebensjahren gerechnet.«
Shirley Montgomery nickte.
»Also«, sagte Howard und lehnte sich zu ihr vor. »Dies ist darauf zurückzuführen, daß unser Körper genetisch auf einen inneren Zeitplan programmiert ist. Wenn wir uns entwickeln, werden bestimmte Gene ›eingeschaltet‹ und andere ›ausgeschaltet‹ - und das war es, was Hayes besonders faszinierte. Seine Untersuchungen galten den Wegen, auf denen humorale Signale aus dem Hirn Wachstum und Geschlechtsreife steuern. Indem er eines dieser humoralen Proteine nach dem anderen isolierte, entdeckte er, wie sie auf periphere Gewebe wirkten. Er hoffte dabei herauszubekommen, was Zellen veranlaßte, ihre Teilung aufzunehmen beziehungsweise wiedereinzustellen.«
»So weit kann ich das verstehen«, sagte Shirley. »Das war ja auch einer der Gründe, warum wir ihn engagierten. Wir erhofften von ihm einen Durchbruch bei der Krebsbekämpfung.«
»Jetzt muß ich einen Moment abschweifen«, fuhr Howard fort. »Es gab da einen anderen Forscher namens Denckla, der nach Wegen zur Verlangsamung des Alterungsprozesses suchte. Er entfernte die Hirnanhangdrüse von Ratten und tauschte dort entsprechende Hormone aus. Nach erneutem Einsetzen stellte er fest, daß die Ratten eine höhere Lebenserwartung hatten.«
Howard hielt inne und blickte Shirley gespannt an.
»Muß ich jetzt etwas Bestimmtes sagen?« fragte diese.
»Erinnert dich dieses Experiment von Denckla nicht an etwas?« wollte er wissen.
»Sag’s mir doch lieber!«
»Denckla schloß, daß die Hirnanhangdrüse nicht nur die Hormone für Wachstum und Geschlechtsreife absondert, sondern auch ein Hormon für die Alterung. Denckla nannte es ›Todeshormon‹.« Shirley Montgomery lachte nervös. »Klingt nicht gerade heiter!«
»Nun, ich nehme an, daß Hayes bei der Suche nach Wachstumshormonen unvermutet auf Dencklas angenommenes ›Todeshormon‹ stieß«, fuhr Howard fort. »Und deshalb sprach er auch von einer ›paradoxen‹ Entdeckung. Während er nach wachstumsfördernden Substanzen suchte, fand er ein Hormon, das zu rascher Alterung und zum Tod führt.«
»Was würde geschehen, wenn man jemandem ein solches Hormon verabreicht?« fragte Shirley.
»Wenn man das für sich allein tut, vielleicht nicht einmal viel. Man wird an dem Betreffenden wohl eine Reihe von Alterungssymptomen feststellen, aber wahrscheinlich würde das Hormon metabolisiert, also zu ausscheidbaren Enzymen umgewandelt, und seine Auswirkungen würden damit begrenzt.
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