Todesangst
Gesichtsausdruck aber änderte sich nicht. Er war nicht unfreundlich, jedoch völlig neutral.
»Es ist mir unangenehm, weiter auf der Sache herumzureiten«, fuhr er fort, »aber ich muß immer daran denken, was Dr. Hayes wegen dieses entscheidenden Durchbruchs erwähnte. Sind Sie ganz sicher, daß Ihnen nichts dazu einfällt, worum es sich da handeln könnte? Es wäre doch tragisch, wenn eine wichtige medizinische Entdeckung auf diese Weise verlorenginge.«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, antwortete Helene Brennquivist knapp. »Ich könnte Ihnen lediglich sein letztes Diagramm von Chromosom 17 zeigen. Meinen Sie, daß Ihnen das irgendwie helfen könnte?«
»Nun, lassen Sie’s uns mal versuchen.«
Die Assistentin ging auf dem Weg in das Büro von Dr. Hayes voraus. Sie gönnte den auffälligen Fotos an den Wänden keinen Blick, aber Dr. Howard konnte das nicht. Er fragte sich, was für eine Art Mensch das gewesen sein mußte, der in einer solchen Umgebung arbeiten konnte. Helene Brennquivist förderte ein umfangreiches Diagramm zutage, auf dem die Folge von Basenpaaren des DNA-Moleküls eingezeichnet war, die einem Teil des Chromosoms 17 entsprachen. Die Anzahl der Basenpaare war überwältigend - Hunderttausende.
»Dr. Hayes beschäftigte sich gezielt mit diesem Abschnitt«, sagte die junge Frau und wies auf einen großen Bereich, in welchem die Basenpaare in Rot eingezeichnet waren. »Das sind die Gene, die für das Wachstumshormon zuständig sind. Es ist sehr komplex.«
»Da haben Sie recht«, sagte Howard. Es war ihm klar, daß er noch intensive Lektüre betreiben mußte, bis das alles für ihn einen Sinn ergab.
»Besteht irgendeine Möglichkeit, daß dieses Diagramm der Ausgangspunkt für eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung sein könnte?« fragte er.
Helene Brennquivist überlegte einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. »Diese Technik ist schon seit geraumer Zeit bekannt.«
»Wie steht’s mit Krebs?« fragte Dr. Howard und ließ damit einen Versuchsballon los. »Könnte Dr. Hayes irgend etwas hinsichtlich Krebs entdeckt haben?«
»Mit Krebs haben wir uns hier überhaupt nicht beschäftigt«, erklärte die junge Frau.
»Aber nachdem er sich so für Zellteilung und Wachstum interessierte, könnte es doch trotzdem sein, daß er irgend etwas in bezug auf Krebs entdeckt hat. Besonders, nachdem er sich so stark für das ›Ein- und Ausschalten‹ der Gene interessiert hat.«
»Möglich wäre es ja immerhin«, meinte Helene Brennquivist ohne große Begeisterung.
Howard war überzeugt davon, daß sie ihm weniger behilflich war, als sie es hätte sein können. Als Assistentin von Dr. Hayes mußte sie mehr Einblick in seine Arbeit gehabt haben. Aber er sah keinen Weg, sie zu intensiverer Zusammenarbeit zu zwingen.
»Wie sieht es denn mit seinen Laboraufzeichnungen aus?«
Helene Brennquivist kehrte an ihren Platz am Labortisch zurück. Sie zog eine Schublade auf, förderte eine dicke Kladde zutage und reichte sie ihm. »Das ist alles, was ich habe.«
Das Buch war zu zwei Dritteln vollgeschrieben. Howard stellte beim ersten Blick fest, daß lediglich bestimmte Daten eingetragen waren, ohne Aufzeichnungen über die durchgeführten Experimente; ohne diese waren die Eintragungen nutzlos.
»Gibt es denn keine anderen Aufzeichnungen?«
»Es gab schon welche«, räumte die Assistentin ein, »aber Dr. Hayes hat sie immer mitgenommen, besonders während der drei letzten Monate. Er hatte meist alles im Kopf. Er hatte ein unwahrscheinliches Gedächtnis, vor allem für Zahlen…« Für einen Augenblick leuchteten ihre Augen auf, und Howard hoffte, daß sie aus sich herausgehen würde, aber seine Hoffnung erfüllte sich nicht.
Sie verfiel vielmehr in Schweigen, nahm Dr. Howard die Kladde ab und verstaute sie wieder in der Schublade.
»Gestatten Sie mir noch eine Frage«, sagte Howard und kämpfte noch wegen der richtigen Formulierung mit sich. »Hat sich Dr. Hayes während der letzten Wochen ungewöhnlich verhalten? Er wirkte ängstlich und übermüdet, als ich mich mit ihm traf.«
»Auf mich wirkte er ganz normal«, antwortete Helene Brennquivist matt.
Ach, du meine Güte, dachte Howard. Jetzt war er sich ganz sicher, daß sie ihm gegenüber nicht offen war. Unglücklicherweise konnte er nicht das geringste dagegen unternehmen. Daher bedankte er sich bei ihr, entschuldigte sich nochmals und verließ dann Dr. Hayes’ Labor. Er fuhr im Aufzug hinunter. Um Sally nicht in die
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