Todesangst
irgendeinen Träger isoliert hatte, der Wachstum oder Reifung oder unterschiedliche Ausprägung veranlaßte - oder alles zusammen.
Schlagartig kam ihm eine Idee. Es fiel ihm ein, daß Carol Donner ihm berichtet hatte, Hayes hätte an der Staatsuniversität von Washington einen Kollegen besucht. Von ihm mußte er irgendeine Probe bekommen haben.
Plötzlich war Howard klar, daß er nach Seattle reisen mußte - vorausgesetzt natürlich, Carol Donner käme mit. Aber dazu wäre sie wohl bereit. Er brauchte sie einfach, um diesen Mann ausfindig zu machen. Außerdem würden ihm ein paar Tage abseits des Trubels hier bestimmt guttun. Da ihm noch ein paar Minuten bis zum Beginn der angesetzten Ärztekonferenz blieben, beschloß er, deshalb sofort bei Shirley Montgomery vorbeizuschauen.
Deren Sekretärin versicherte zunächst, die Chefin sei im Augenblick viel zu sehr beschäftigt, um ihn zu empfangen, aber er konnte sie wenigstens so weit bringen, ihn anzumelden. Einen Augenblick später wurde er bereits hereingebeten. Shirley war am Telefon. Howard nahm sich einen Stuhl und folgte ihrem Gespräch. Sie hatte einen Gewerkschaftsboß am Apparat und unterhielt sich mit dem Mann mit bemerkenswerter Ungezwungenheit. Unbewußt fuhr sie mit den Fingern durch ihr kräftiges Haar. Entzückt bewunderte Jason Howard diese weibliche Geste, die ihn daran erinnerte, daß unter all dieser beruflichen Tüchtigkeit obendrein eine sehr attraktive Frau verborgen war - nicht ganz einfach, aber sehr liebenswert.
Shirley legte auf und lächelte ihn an. »Das ist aber eine freudige Überraschung!« sagte sie. »Du steckst heute wohl voller Überraschungen, wie? Ich nehme an, du möchtest dich dafür entschuldigen, daß du mir letzte Nacht nicht mehr Zeit geschenkt hast!«
Howard mußte lachen - ihre Direktheit war entwaffnend. »Vielleicht wirklich. Aber da ist noch etwas. Ich denke daran, ein paar Tage fortzufahren. Mir ist heute morgen schon wieder eine Patientin gestorben, und ich glaube, ich müßte mal für kurze Zeit hier raus.«
Shirley sagte anteilnehmend: »Mußte man damit rechnen?«
»Nun, während der letzten Tage schon. Aber als ich sie ins Krankenhaus einwies, nahm ich nicht an, daß das hier bei uns ihre letzten Tage sein würden.«
Shirley Montgomery seufzte. »Ich weiß nicht, wie du mit all diesen Dingen fertig wirst.«
»Nun ja, leicht ist’s wirklich nicht«, mußte Dr. Howard zugeben. »Aber was es so besonders schwer macht in letzter Zeit, ist die zunehmende Häufigkeit.«
Ihr Telefon klingelte, doch sie schaltete ihre Sekretärin dazwischen mit der Bitte, den Anruf entgegenzunehmen und entsprechend zu notieren.
»Na ja«, fuhr Howard fort, »jedenfalls habe ich mich entschlossen, ein paar Tage wegzufahren.«
»Scheint mir eine gute Idee«, meinte Shirley. »Würde mir ja auch guttun, wenn ich nur schon diese verdammten Verhandlungen mit der Gewerkschaft hinter mir hätte. Wohin soll es denn gehen?«
»Ich weiß es noch nicht so genau«, log er. Diese Reise nach Seattle war ein derartiger Schuß ins Blaue, daß er sich scheute, ihr davon etwas zu erzählen.
»Ich habe Bekannte, die eine Ferienwohnung auf den Jungferninseln haben«, bot Shirley ihm an. »Ich könnte dort mal anrufen.«
»Nein, vielen Dank - so in der Sonne rumzuliegen ist nicht ganz meine Sache. Was tat sich denn in der Brennquivist-Geschichte? Viel Ärger mit der Presse deshalb?«
»Erinnere mich lieber nicht daran«, antwortete Shirley. »Um ehrlich zu sein, war mir das zuviel, und ich habe Bob Walthrow gebeten, sich darum zu kümmern.«
»Ich hatte die ganze Nacht Alpträume deshalb«, gab Howard zu. »Kein Wunder«, meinte sie.
»Nun, ich muß jetzt zu einer Sitzung«, sagte er und stand auf.
»Hättest du vielleicht heute Zeit für ein gemeinsames Abendessen?« fragte sie. »Vielleicht können wir uns gegenseitig ein wenig aufheitern.«
»Gern. Um welche Zeit denn?«
»Sagen wir so gegen acht.«
»Acht ist prima«, antwortete Howard und schritt zur Tür.
Shirley rief ihm noch nach: »Es tut mir wirklich leid wegen deiner Patientin!«
Angesichts der kurzfristigen Festsetzung waren mehr Teilnehmer zu der Ärztekonferenz gekommen, als Dr. Howard erwartet hatte. Vierzehn der sechzehn Internisten waren da, und manche hatten Mitarbeiterinnen mitgebracht. Es war unübersehbar, daß ihnen allen klar war, daß sie es mit einem schwerwiegenden Problem zu tun hatten.
Dr. Howard eröffnete die Sitzung mit einer statistischen Übersicht,
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