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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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ist doch lustig.« Sie schnappte sich das Handy und hielt es demonstrativ hoch, als ob sie ein Foto schoss. Der Mann senkte den Kopf wie ein Stier vor dem Angriff. Dann ging er plötzlich wieder rein. Die Tür knallte hinter ihm zu.
    »Netter Typ, was?«, rief Melanie dem Wassertaxitypen zu.
    Der hielt die Hand ans Ohr. Dann schüttelte er den Kopf. »Nee, hat noch nichts angebissen«, rief er zurück.
    Wir prusteten los. Bis jemand hinter uns röhrend die Nase hochzog und direkt neben mir ausspuckte.
    Alex war erwacht.

16.
    »Na?«, sagte er zur Begrüßung. »Wo bleibt denn das Frühstück?«
    »Kannst du dir selber machen«, erwiderte Melanie. »Wenn du was findest.«
    »Warum rennst du nicht rüber zu Meister Leon und holst frische Brötchen?« Alex wollte offenbar da weitermachen, wo sie gestern Abend aufgehört hatten.
    »Warum gehst
du
nicht?«, gab sie zurück.
    »Weil ich keinen Bikini anhabe und nicht so schön mit dem Hintern wackeln kann.«
    »Du bist bescheuert.«
    »Leon arbeitet«, sagte ich schnell. Meine Güte, der Tag fing ja schon reizend an. Konnte nur noch besser werden. Wenn Alex und David endlich abhauen würden . . . »Der will nicht gestört werden.«
    Alex grunzte etwas Undeutliches. Dann fiel sein Blick auf den Mann im Boot. »Wer ist der Kasper?«
    »Der Mann, der den Wasserbus fährt.«
    »Und was macht der da?«
    Weder Melanie noch ich hielten es für nötig, auf diese Frage zu antworten. Außerdem kam David auch gerade raus. Er brachte zumindest ein genuscheltes »Morgen« zustande.
    Melanie stand auf und zog dabei das Bändchen ihrer Bikinihose zurecht. Der Mann im Boot drehte wie ferngesteuert den Kopf in unsere Richtung und wahrscheinlich beobachtete auch der Typ aus dem weißen Boot bei Spiegelei und Kaffee, wie Melanie geziert einen Fuß in das Wasser steckte, »Huch« rief und dann ihre Haare auf dem Kopf zusammenzwirbelte, als ob sie vorhatte, den See gleich im Schmetterlingsstil zu durchschwimmen.
    »Machst du mal ein Foto, Clara?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
    »Mein Akku ist fast leer.«
    »Dann nimm mein Handy.« Sie stellte sich in Pose, doch plötzlich wedelte sie heftig mit der Hand. »Nein, warte, nicht hier. Da hinten. Da, wo die Zweige so gruslig ins Wasser hängen.«
    »Kommt man da überhaupt hin?« Ich sah misstrauisch zu dem überwachsenen Pfad.
    »Klar, los, komm! Wir haben überhaupt noch keine geilen Fotos gemacht.« Sie zog mich hoch, hielt meine Hand, damit ich nicht so humpeln musste.
    »Wo wollt ihr hin?«, rief Alex. Er sah uns argwöhnisch hinterher. »Wir wollten doch in die Stadt paddeln.«
    »Jetzt nicht«, rief Melanie zurück. Sie kicherte. Ich blickte kurz über die Schulter und sah Alex, der mit hängenden Schultern dastand und zwischen Empörung und Unverstehen schwankte, und Davids unbeteiligte Miene. In diesem Moment fühlte ich michdas erste Mal seit unserer Ankunft richtig befreit. Nur Melanie und ich, die Unsinn machen und quatschen würden, ohne die blöden Jungs im Nacken. Ich war so glücklich, dass ich meinen Humpelfuß kaum bemerkte und selbst die verschwundene Tasche und Melanies penetrantes Rumgeflirte einen Moment lang ganz vergaß.
     
    Melanie hatte recht. Die langen Zweige waren die perfekte Goth-Kulisse.
    »Pass auf, ich hänge mich hier an die Zweige mit den Beinen ins Wasser, als ob mich einer reinzieht«, bestimmte Melanie. Und das tat sie auch. Ich prustete los. Es sah zum Schießen aus, als ob eine unsichtbare Macht sie in den Sumpf zog.
    »Jetzt du«, meinte sie. »Tu so, als ob du aus dem Baumstumpf da rauswächst.«
    Ich kletterte vorsichtig hinter einen riesigen Baumstumpf und ließ nur meinen Kopf aus der Mitte herausragen.
    Melanie kreischte vor Begeisterung. »Jetzt da, bei dem Baum, der so ein Gesicht hat.« Sie rannte los. Es war herrlich. Wir knipsten Fotos von Melanie als Wasserelfe und von mir hinter einem Schleier von grünen Weidenzweigen, Fotos von Melanies Gesicht zwischen Seerosen und von uns beiden mit diesen albernen Sonnenbrillen, die wir extra für den Urlaub gekauft und noch nicht ein einziges Mal aufgesetzt hatten. Dann ließen wir uns lachend ins Gras fallen.Von den Hausbooten her war nichts zu hören. »Schick mir die Fotos bitte alle«, bat ich. »Ich hab jetzt gar keine gemacht. Ein Mist mit dem Strom hier.«
    »Kannst du doch bei Leon aufladen«, sagte Melanie.
    Natürlich. Warum war ich da wieder mal nicht selbst drauf gekommen? Das würde ich gleich tun, er hätte bestimmt nichts dagegen.

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