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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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in den Wald gelaufen waren. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so erleichtert gefühlt. Alex und David saßen garantiert schon wieder im Boot und ich würde mir das Handy von Alex schnappen und die Polizei anrufen. Ich würde den fiesen alten Knacker melden, der mein Handy geklaut hatte, und berichten, dass meine Freundin verschwunden war. Ich würde . . .
    »Au!« Ich fluchte vor Schmerz laut auf. Ich war über eine Wurzel im Gras gestolpert und umgeknickt. Wenn ich mir jetzt noch drei Meter von unserem Boot entfernt den Fuß verstauchte, würde ich einen hysterischen Anfall bekommen. Wütend sah ich nach unten. Die Wurzel . . . Oh Gott. Das Rauschen in meinem Kopf setzte wieder ein. Das war keine Wurzel. Das war ein Bein. Ein Bein, das in knielangen Jeans steckte.
    »David?«, flüsterte ich ungläubig. Er lag quer über dem kleinen Weg, mit dem Kopf nach unten, das Gesicht leicht zur Seite gedreht. Als ob er schlief.
    Ich kniete mich hin und rüttelte an seiner Schulter. Ein Geräusch erklang, eine Art leises Stöhnen.
    »David, was ist mit dir?«
    Er öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus.Nur wieder dieses schreckliche Stöhnen. Er war gar nicht richtig bei Bewusstsein. Ich rutschte auf den Knien herum und versuchte, ihn umzudrehen. Dann sah ich es. An seiner Schläfe, schon fast oben am Haaransatz, war eine große blaurote Beule.
    War er hingefallen? Oder . . . Wo war Alex? War das Alex' Werk? Der mal wieder die Nerven verloren hatte?
    »David, war das Alex?«
    Ich konnte sehen, wie seine Augenlider zuckten und sich dann qualvoll langsam öffneten. »Weiß nicht.« Es war kaum mehr als ein Krächzen. »Mein Kopf . . .«
    »Du brauchst einen Arzt.« Hatte David noch sein Handy? »Wo ist dein Handy?« Er reagierte nicht. Kurzentschlossen fuhr ich mit der Hand in Davids Hosentasche. Jetzt war keine Zeit für falsche Bescheidenheit. Nichts. Auch nicht auf der anderen Seite.
    »David? Hörst du mich? Kannst du aufstehen?«
    Er hob leicht den Kopf, stöhnte und ließ ihn wieder sinken. Wenigstens hatte er jetzt die Augen offen. »Will hier liegen«, murmelte er.
    Was jetzt? Ich konnte ihn doch nicht einfach da liegen lassen, aber andererseits konnte ich ihn ja wohl kaum an den Beinen packen und hinter mir herschleifen.
    »Wo ist Alex?«, fragte ich erneut. Mann, wie ich den hasste!
    »Weiß nicht«, sagte David nur wieder.
    Ich biss mir vor Aufregung die Lippe blutig, aber ich verstand überhaupt nichts mehr. Nur, dass ich jetzt ganz alleine war. Halt   – nicht ganz allein.
    »Ich hole Hilfe.« Ich sprang auf und rannte los, trotz meiner malträtierten Zehe.
    Zu Leons Boot.

21.
    »Leon!« Ich bummerte an seine Tür. »Leon, bist du da?«
    Ich konnte Schritte hören, dann ging die Tür auf. Leon stand vor mir, ein Geschirrtuch und ein Glas in der Hand, die Sonnenbrille auf die Stirn hochgeschoben. Er schien überrascht zu sein, mich zu sehen.
    »Hey, ihr seid ja doch noch da. Ich dachte schon, ihr haut alle ab, ohne Tschüss zu sagen.«
    »David«, stieß ich aus und versuchte, ruhiger zu atmen. »Liegt. Dort.«
    »Was?« Leon hörte auf, das Glas abzureiben.
    »David liegt da im Gras. Ich weiß nicht, was mit ihm ist. Ich glaube, er ist hingefallen. Oder . . .« Ich gab mir einen Ruck. »Oder Alex hat ihn zusammengeschlagen. Der ist auch weg. Und Melanie auch.« Ich spürte, dass ich schon wieder einen Kloß im Hals bekam.
    »Melanie ist doch zum Wasserbus gegangen.«
    »Nein. Das heißt, ja   – sie ist dahin gegangen. Aber der Bus fährt doch erst später. Und jetzt ist sie weg. Aber ihr Rucksack ist noch da!«
    »Ihr Rucksack ist noch da?«
    »Ja, der steht im Gebüsch. Als ob sie ihn dort abgestellt hat. Sie würde doch aber nicht ohne ihren Rucksack fahren, ich kapier das nicht.«
    »Bist du sicher, dass es ihr Rucksack war?« Leon sah mich prüfend an.
    »Natürlich. Ich kenn den doch. Und wir wollten sie suchen, aber dann waren die Jungs so schnell weg und dieser Typ von da drüben hat mir mein Handy weggenommen.«
    »Welcher Typ? Der Taucher?«
    »Nein, der mit der jungen Freundin. Was will der denn mit meinem Handy, Leon? Das war nicht mal aufgeladen, ich wollte es bei dir aufladen, damit ich Melanie anrufen kann, aber die antwortet ja auch nicht und ich hab jetzt echt Schiss, kannst du die Polizei anrufen?« Die Worte sprudelten aus mir heraus, ich konnte nur hoffen, dass Leon mein Gestammel verstand, denn irgendwie verstand ich das alles selbst nicht. Aber David brauchte einen Arzt, so

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