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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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hatten wir hier gesessen und Wein getrunken, auf dem Tisch standen noch leere Gläser und ein voller Aschenbecher. Wahrscheinlich von gestern, von ihm und Melanie. Sie kamen mir vor wie Requisiten aus einem anderen Leben.
    »Was meinst du mit ›sie ist dort bei dem Busch‹?« Bastian war mir gefolgt.
    »Dieses Mädchen, das sie gefunden haben, bei der hing genau so eine Blüte in den Haaren. Und sieh mal   – dort im Wasser!« Ich beugte mich vor und sah um die Ecke. Von hier aus konnte man den Busch erkennen, wenn man sich weit genug rausstreckte. Das Wasser unter dem Busch war voller rosa Blüten, wie ein schwimmender Teppich sah das aus.
    »Du meinst . . .?«
    Ich nickte. »Ich meine, dass das Mädchen irgendwannmal da im Wasser lag. Sonst hätte sich das Ding nicht in ihren Haaren verfangen. Und da ich mir jetzt ziemlich sicher bin, dass Leon sie umgebracht hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass demnächst meine Freundin dort im Wasser treibt, mit rosa Blumen im Haar.« Bei den letzten Worten war meine Stimme nur noch ein ersticktes Schluchzen. »Also ist sie hier irgendwo, meinst du nicht?«
    Bastian überlegte. »Kann sein«, sagte er. »Aber genauso gut kann so ein Busch auch irgendwo anders wachsen, schließlich haben sie die Tote doch nicht hier gefunden, oder? Sie haben sie doch in der Stadt gefunden, hast du erzählt.«
    Ich überlegte und schüttelte dann sofort den Kopf. »Ja, sie haben sie dort gefunden. Aber da war nicht so ein Busch, das weiß ich ganz genau.« Einen Moment lang rief ich mir noch einmal die Szene am kleinen Hafen ins Gedächtnis zurück   – die Schwäne, das Café, die kleine Brücke. »Da war kein Busch, dort am kleinen Hafen. Nur der Kanal und Bäume und eine Schwanenfamilie.«
    »Am kleinen Hafen, sagst du?« Bastian sah mich aufmerksam an. Völlig unpassend in dieser Situation fiel mir auf, dass er schöne braune Augen mit ganz dichten Wimpern hatte.
    »Ja.«
    Bastian ballte die Finger zur Faust und klopfte damit ungeduldig an seinen Oberschenkel. »Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte er dann, »aber ich glaube,dieser kleine Flussarm da hinten führt direkt in die Stadt, ganz schnell. Man kann nur nicht durchpaddeln, das habe ich probiert, war zu sehr zugewachsen.«
    Ich starrte ihn an. Was hatte er gerade gesagt? Wo hatte ich das schon gehört? Dann wusste ich es. »Genau«, flüsterte ich. »Jetzt, wo du es sagst, erinnere ich mich. Das hat dieser Typ uns am Anfang gesagt, der vom Wasserbus. Das heißt, von hier aus gibt es einen Wasserweg in die Stadt?«
    »Na ja, Wasserweg . . . Man könnte vielleicht durchwaten. Oder schwimmen.«
    »Oder treiben.« Das rutschte mir ohne mein Zutun heraus.
Treiben, wie die Leiche des blonden Mädchens.
    Wir sahen uns an. Dann kletterte Bastian hastig auf das kleine Verandageländer, zog sein T-Shirt aus und sprang ins Wasser. Er war im Nu weg. Suchte er den Grund ab?
    »Mellie«, wollte ich rufen, aber der Kloß in meinem Hals wurde von Minute zu Minute größer. Ich würde es nicht ertragen, wenn er Melanies Körper da unten zwischen den Schlingpflanzen fand.
    Bastian tauchte auf, er schnappte nach Luft. »Hier ist sie nicht. Ich tauche um das ganze Ding rum, bleib du hier stehen, okay?«
    Ich nickte, wollte was sagen, da war er schon wieder weg. Ich wartete und verlor jegliches Zeitgefühl. Ich konzentrierte mich stur darauf, nicht loszuplärren wie ein Baby. Ich sah mich und Melanie an unseremersten Schultag, sah uns Eis essen und Frisuren ausprobieren und Aufkleber tauschen. Melanie war meine beste Freundin und ich hatte sie überredet, in diesen schrecklichen Urlaub mitzukommen. Es war meine Schuld, wenn sie . . .
    »Clara!« Bastian war urplötzlich wieder aufgetaucht. »Kannst du mir einen Hammer bringen? Irgendein Werkzeug?«
    »Was?«
    »Etwas Hartes, zum Draufschlagen. Hinten an der Rückseite des Hausbootes ist so eine kleine komische Tür außen dran. Mit einem fetten Schloss an einem Riegel.«
    Ich antwortete nicht. Ich flog geradezu zurück in das Innere des Bootes, nahm nur aus den Augenwinkeln die gekrümmte Figur von Leon wahr, der gerade versuchte, sich aufzurichten, und dabei scheiterte; stürzte in die Küche und sah mich verzweifelt um. Hammer, Beil, war hier so was? Wo bewahrten die richtigen Besitzer dieses Bootes solche Dinge auf? Ich kniete mich hin und riss alle Küchenschränke auf.
    »Hey«, kam es von Leon. »Bind mich los, ich zeig dir, wo Melanie ist.«
    Ich reagierte nicht. Da hinten im Schrank waren

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