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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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nicht. Ich sah starr geradeaus, an Leon vorbei. Zum Fenster hin, an dem ich eben eine Bewegung wahrgenommen hatte. Alex? Hatte er mich gehört? Nie hätte ich geglaubt, dass ich mich mal nach seinem Anblick sehnen würde. Ein Haaransatz tauchte kurz auf und verschwand wieder. Ich durfte mir nichts anmerken lassen. Musste weiterreden.
    »Melanie fand dich toll«, sagte ich. Es war das Erstbeste, was mir einfiel.
Ich auch
zu sagen brachte ich nicht fertig. Wozu auch. Das wusste er ohnehin.
    Er nickte. »Klar fand sie das.«
    War das Alex? Seine Haare waren doch viel dunkler . . . Ich konnte es nicht richtig erkennen, ohne mich vorzubeugen, und das wollte ich auf keinen Fall. Die Person vor dem Fenster war meine einzige Hoffnung.
    »Ich fand dich auch toll«, sagte ich jetzt trotzdem,obwohl ich ihm am liebsten auf die Füße gekotzt hätte.
    Leon lächelte und sah einen Moment lang aus wie der charmante Typ von der Party am Zeltplatz. War das wirklich erst zwei Tage her? »Sicher fandest du das«, flüsterte er.
    Ich hörte ihn kaum. Ich musste alle Nerven anspannen, um nicht loszuschreien. Ich konnte nicht glauben, wessen Gesicht jetzt durch das Fenster hereinsah.
    Das des Jungen im Taucheranzug.

23.
    Der Junge legte seinen Zeigefinger auf den Mund. Mir liefen jetzt die Tränen die Wange hinunter, ich konnte sie nicht mehr zurückhalten. Das schien Leon zu gefallen, denn er betrachtete mich erfreut. Ich sah ihn nicht an, sondern zum Fenster hin, wo der Junge mir irgendwelche Zeichen machte. Leon war wie ein Radargerät, er drehte sich sofort um. Der Junge verschwand blitzschnell. Was lief hier ab? Was wollte der? Oder   – bei dem Gedanken blieb mir fast das Herz stehen   – gehörten die beiden etwa zusammen? Ich erinnerte mich an gestern, an den Kopf im Wasser. Wie der Junge regungslos zu Leon und Melanie hinübergeschaut hatte. Ohne dass Leon davon etwas gemerkt haben sollte? War das alles nur eine Show, die die beiden hier abzogen? Oder würde der Junge mir helfen?
    Leon runzelte die Stirn. Hatte er was bemerkt? Er drehte sich wieder zu mir um und in diesem Moment sah ich den Jungen, der wie ein Schatten in den Raum glitt. Er kam von der Seite des Sees, von Leons kleiner Veranda. Offenbar hatte Leon die Tür offen gelassen, als er selbst hereingekommen war. Der Junge trug heute ganz normale Schwimmshorts und ein T-Shirt . Er bewegte sich lautlos und zentimeterweisehinter Leon vorwärts. Ich konnte jetzt nur hoffen, dass er wirklich hier war, um mir zu helfen. Aber jeder kleine Luftzug würde ihn verraten. Ich musste weiterreden. Lärm machen.
    »Leon«, sagte ich daher, diesmal absichtlich laut und auch, weil ich wusste, dass ihn der Name nervte, »Leon, was hast du eben gemeint, dass David seine Nase in Sachen gesteckt hat, die ihn nichts angehen?« Ich rutschte dabei hin und her, um die Bewegungen des Jungen zu übertönen.
    »Hör auf«, ranzte Leon mich an. Dann verzog sich sein Mund jedoch zu einem spöttischen Grinsen. »Du weißt es wirklich nicht? Bist doch nicht so schlau, wie ich dachte.«
    Er redete gern darüber, wie dumm die anderen waren, das wurde mir jetzt klar. Irgendwo in meinem Kopf registrierte ich diese Schwäche. Damit konnte man ihn zum Reden bringen.
    »Was ich damit gemeint habe? Seine blonde Freundin zum Beispiel. Die ihm abgehauen ist, direkt zum guten Onkel Leon.«
    Der Junge stand jetzt genau hinter ihm. Er machte mir wieder irgendein Zeichen mit den Augen, aber erstens kapierte ich nicht, was er wollte, und zweitens hämmerte mein Herz jetzt so laut, dass ich gar nicht mehr klar denken konnte.
Die blonde Freundin von David
. Und dann nahm ich auf einmal einen neuen Geruch im Zimmer wahr. Den des Jungen, nach Wasser und Lagerfeuer, und Leon roch es auch,denn ich sah, wie sein Gesicht einen verblüfften Ausdruck annahm und er sich umdrehte. Dann ging alles rasend schnell und doch wie in Zeitlupe. Ich trat in dem Moment zu, in dem der Junge von hinten seinen Arm um Leons Hals schlang und ihn in einen Würgegriff nahm. Mein rechtes Bein war schließlich noch voll einsatzfähig. Ich sprang auf und trat, trat, trat und heulte dabei meine ganze Wut heraus.
     
    Jemanden zu überwältigen war überhaupt nicht so, wie sie es immer in den Filmen zeigten. Nicht so elegant und aalglatt. Leons Flip Flop knallte mir an den Mund, sein haariges Bein rammte mich, als er wie verrückt zappelte. Jemanden zu überwältigen tat verdammt weh. Der Draht schnitt mir ins Handgelenk, meine Lippe schwoll

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