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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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Kerzen, Alufolie, Glühbirnen und . . .« Ich kroch bald in das Fach hinein.
    »Bind mich los, du blöde Kuh!«
    Ein Schraubenzieher! Ein dicker, schwerer Schraubenzieher,mindestens dreißig Zentimeter lang. Ich schnappte ihn mir, er lag herrlich schwer in der Hand. Damit würde Bastian die Tür öffnen können. Ich hetzte, so gut es mit meinem Fuß ging, wieder hinaus, vorbei an Leon, der versuchte, sich mir in den Weg zu rollen.
    »Bastian!« Ich wedelte draußen auf der Veranda triumphierend mit dem Schraubenzieher. »Geht das?«
    Er nickte und ich warf ihm das Ding runter. Bastian tauchte sofort wieder unter.
    »Warte«, rief ich. »Warte, ich will mit!« In diesem Moment war mir mein Fuß egal. Ich kletterte auf die Brüstung und sprang hinterher.
     
    Es tat überhaupt nicht weh. Ich riss unter Wasser die Augen auf und war überrascht   – es schien nicht mal zwei Meter tief zu sein. Dunkler Schlamm wirbelte auf, ich wedelte mit dem rechten Arm vor meinen Augen, um etwas zu sehen. Da war die Bootswand, genau vor mir. Ich tauchte wieder hoch und fand mich mitten in dem rosa Blütenmeer wieder. »Bastian?« Ich spuckte Wasser aus. Dann hörte ich etwas knallen, es kam von links. Ich schwamm in die Richtung, aus der das Geräusch kam, durch dicke grüne Pflanzen, die wahrscheinlich irgendwann mal Seerosen sein wollten. Weiter vorn war Schilf und Matsch, ich versuchte, im tieferen Wasser zu bleiben. Wieder ein Knallen. Da war Bastian, er hielt sich mitder linken Hand an einer dicken Holzkante am Bug des Bootes fest und hämmerte mit der rechten. Keine drei Meter von mir entfernt. Er hörte einen Moment lang auf zu hämmern und sah mich fragend an.
    »Na los!«, japste ich.
    Er machte weiter. Würgte den Schraubenzieher zwischen Schloss und Riegel und versuchte, ihn aufzustemmen.
    »Es ist nicht ganz zu«, presste er heraus. »Ich hab's gleich auf.« Und als er wieder daran zerrte, ging das Schloss zwar nicht auf, aber er hielt plötzlich ein Stück morsches Holz in der Hand, an dem Schloss und Riegel hingen.
    Während er es noch erstaunt betrachtete, hechtete ich neben ihn und riss die kleine Tür auf.
    Melanie lag in einem winzigen Verschlag, kaum größer als ein Stuhl. Zusammengerollt wie ein Embryo, Klebeband über dem Mund, Hände und Füße mit Draht verschnürt.
    Ihre Augen waren geschlossen. Sie bewegte sich nicht.
    »Melanie?« Meine Stimme war ganz rau. »Mellie? Hörst du mich?« Tief aus meiner Brust rollte etwas hoch, ein schreckliches, gequältes Schluchzen, ein Schrei, der hinauswollte.
    In dem Moment öffneten sich ihre Augen einen Spalt weit.

25.
    Noch nie in meinem Leben hatte ich so eine Erleichterung verspürt. Melanie blinzelte und gab einen Ton von sich, der mich an eine kleine kranke Katze erinnerte. Bastian und ich hingen immer noch im Wasser und klammerten uns an die Holzkante.
    »Wir müssen ihr das Klebeband abmachen«, sagte ich rasch zu Bastian. »Sie kann doch kaum atmen.« Das Klebeband reichte ihr fast bis hoch an die Nase. Was für ein brutales Schwein Leon war, dachte ich voller Wut, dann hielt ich mich mit einer Hand am Boot fest und bemühte mich, mit der anderen dieses feste Ding abzuziehen. Sanft ging es nicht. Ich würde ihr wehtun müssen.
    »Melanie«, sagte ich behutsam, »es ist alles gut, er kann dir nichts mehr tun. Ich mach dir jetzt das Klebeband ab, okay? Dann kannst du besser atmen. Es tut nur ein ganz kleines bisschen weh.« Ich wusste, dass ich log, aber es ging nicht anders. Bastian und ich wechselten kurz einen Blick, dann hielt er Melanie, so gut es ging, fest und tätschelte ihr beruhigend den Arm, während ich das Band mit einem Ruck abzog. Es ratschte, Melanie zuckte kurz auf und stieß ein Wimmern aus. Dann sackte sie wiederin sich zusammen. Sie blutete am Kinn, wahrscheinlich hatte ich das sogar verursacht. Dann murmelte sie etwas.
    Ich zog mich hoch, ignorierte die Splitter in meiner Hand, kroch halb in den Verschlag hinein und hielt meinen Kopf nahe an ihren Mund. »Was?«
    Sie öffnete leicht ihre Lippen, die trocken und aufgesprungen waren, aber sie brachte nichts heraus.
    »Alles wird gut, Mellie, alles wird gut«, flüsterte ich. Tränen liefen mir übers Gesicht, Rotz verstopfte meine Nase. Ich bekam kaum Luft. So musste Melanie sich die letzten Stunden gefühlt haben . . . wer weiß, wie lange sie schon so zusammengequetscht da drin gelegen hatte.
    »Los«, sagte Bastian. »Wir bringen sie vor.« Er packte Melanie mit der rechten Hand am Arm und

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