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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Decke und dann aufs Sofa. Nein, es waren nicht ihre Augen. Gott sei Dank. Da war wirklich eine Lampe kaputt. Sie atmete erleichtert auf.
    Jüthe lief voran, blieb dann aber unentschlossen im Türrahmen stehen und traute sich nicht einmal, in den Raum zu gucken.
    »Ist deine Mama da drin?«
    Jüthe nickte fast unmerklich. Bettina Göschl ging an ihr vorbei ins Schlafzimmer.
    Der säuerliche Geruch schlecht gewordener Erbsensuppe umgab Frau Werremann wie eine Aura. Sie lag verkrampft im Bett. Bettina wusste sofort, dass sie tot war. Sie zog ihr T-Shirt hoch und hielt es sich vor Mund und Nase. Ihr Bauchnabel lag jetzt frei und sie spürte einen sanften Luftzug, der ihre Härchen aufrichtete.
    Die Bettdecke war feucht, klamm und kalt. Auf dem Nachtschränkchen stand ein Glas Wasser, daneben lag ein angebrochener Schokoriegel. Vor dem Bett sah Bettina eine zerknüllte Emder Zeitung, als hätte jemand versucht, etwas damit aufzuwischen.
    Die Gesichtshaut von Frau Werremann war gelblich, ihre Lippen gar nicht wirklich als solche zu erkennen. Bettina Göschl versuchte, ihren Puls zu ertasten, aber da war nichts mehr. Sie berührte die Hand einer Toten.
    Sie schloss die Augen der Frau, drehte sich zu Jüthe um und fragte: »Wie lange bist du mit deiner Mama schon alleine?«
    Das Mädchen antwortete nicht.
    »Ich bin Bettina Göschl, die Sängerin. Wolltest du heute auch zu meinem Konzert?«
    »Ja, eigentlich schon. Aber ich bin nicht zur Schule gegangen.«
    »Weil deine Mama krank war?«
    »Ja.«
    »War sie schon gestern krank?«
    »Mmh – ich hab uns was gekocht, aber sie hat nichts gegessen.«
    »Was hast du denn gekocht?«
    Jüthe nahm Bettinas Hand und zog sie in die Küche. Auf dem Tisch lagen Brote mit Leberwurst, in der Mitte stand ein offenes Glas Gewürzgurken.
    »Hast du dir das heute früh gemacht?«
    »Mmh.«
    »Und seitdem hast du auch nichts mehr gegessen?«
    »Doch. Weintrauben und Gummibärchen.«
    »Du bist ein tapferes Mädchen«, sagte Bettina. »Komm mit runter zu uns. Ich mach dir was Warmes.«
    »Meine Mama ist tot, stimmt’s?«
    »Ja, das stimmt.«
    Während Bettina Göschl noch darüber nachdachte, wie sie mit dem Kind ein Gespräch über Leben und Tod führen könnte und was die Kleine jetzt am ehesten bräuchte, fragte Jüthe: »Werde ich auch sterben?«
    Bettina streichelte ihr Gesicht.
    »Nein, Jüthe, das wirst du nicht.«, sagte sie. »Wir werden das alle überleben. Wir müssen jetzt nur erst einmal etwas trinken und uns etwas zu essen machen. Uns stärken.«
    Dann stand Bettina vor dem Kühlschrank und war sich bewusst, dass der Inhalt darin vielleicht noch wichtig werden könnte.
    »Am besten, du kommst mit runter zu uns. Lass uns alle Lebensmittel mitnehmen, die wir finden können. Habt ihr einen Vorratsschrank?«
    »Ja, dort.«
    Bettina öffnete ihn und fand sieben verschiedene Tütensuppen, einen Beutel Reis, ein halbes Pfund Zucker, eine Fertigbackmischung für eine Prinzessinnentorte und zweihundertfünfzig Gramm Vollkornnudeln. Sie packte alles in eine Plastiktüte. Dann öffnete sie den Kühlschrank und nahm Saftflaschen, Marmeladen und Nutella an sich.
    Jüthe sah stumm zu. Plötzlich kam Bettina sich komisch vor. Sie wusste genau, sie tat das Notwendige. Aber sie fühlte sich nicht gut dabei.
    »Hast du einen Papa?«, fragte sie.
    »Jeder hat einen Papa«, antwortete Jüthe altklug. »Aber meiner ist so ein Arsch, da wäre es besser, keinen zu haben.«
    Bettina sah sich nach Jüthe um und fragte sich, ob das Kind selbst auf diesen Satz gekommen war oder ob ihre Mutter ihn ihr eingebläut hatte.
    »Gibt es jemanden, dem wir Bescheid sagen sollten? Hat deine Mama Geschwister? Hast du eine Tante, Oma, Opa?«
    »Eine Oma. Die ist lieb.«
    »Wo wohnt die?«
    »In Wien.«
    Vielleicht wäre es richtig gewesen, in Wien anzurufen, doch Bettina entschied sich dagegen. Sie wollte sich um das Kind kümmern und fürchtete, damit schon genug zu tun zu haben. Hilfe konnte sie aus Wien kaum erwarten.
    Sie lehnte die Tür zur Wohnung nur an und ging mit Jüthe zurück zu Leon. Der schlief immer noch fest, hatte seine Decke durchgeschwitzt und sich freigewühlt. Bettina deckte ihn wieder zu, kühlte seine Stirn mit einem feuchten Handtuch und machte für Jüthe Spaghetti warm.
    Dann rief sie Frau Dr. Husemann an und informierte sie über die Tote im vierten Stock.
    »Die Kleine ist jetzt bei mir. Soll ich ihr von dem Tamiflu geben? Reicht es für zwei Kinder?«
    »Hat sie erhöhte

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