Todesbrut
Temperatur?«
»Ich hab sie nicht gemessen, aber das Mädchen hat eine heiße Stirn und ihre Lippen sind aufgesprungen.«
»Das kann auch die Aufregung sein. Sie steht bestimmt noch unter Schock, wenn sie Stunden allein mit ihrer toten Mutter verbracht hat.«
»Frau Dr. Husemann?«
»Ja? Was ist denn noch?«
Bettina Göschl schluckte und konnte kaum sprechen. Sie schloss die Tür hinter sich, um Jüthe nicht mithören zu lassen. Sie beugte sich mit dem Telefon in die Ecke zwischen Schrank und Sessel: »Es sieht ganz so aus, als würden infizierte Menschen nach ein, zwei Tagen sterben.«
»Das ist richtig.«
»Das könnte bedeuten, ich habe hier schon morgen zwei tote Kinder.«
»Ich will Ihnen keine Angst machen, Frau Göschl, aber genau das steht zu befürchten.«
»Ich weiß nicht, ob ich das packe.«
»Ja, manchmal geschehen schreckliche Dinge. Aber Sie können nicht mehr tun, als die Kinder so lange zu versorgen, wie es eben geht. Sie sind bei Ihnen in guten Händen. Vielleicht haben sie ja eine Chance. Sehen Sie zu, dass das Fieber nicht über vierzig Grad steigt. Das ist es, was die kleinen Körper nicht lange aushalten.«
Da stand Jüthe plötzlich hinter Bettina. Sie hatte das Kind nicht kommen hören.
Die Kleine tippte Bettina an. Bettina fuhr erschrocken zusammen, als hätte jemand einen Stein nach ihr geworfen.
»Ist meine Mama jetzt im Himmel?«, fragte Jüthe. »Ist sie jetzt ein Engel?«
»Ja«, antwortete Bettina. »Ich denke, schon.«
»Muss ich jetzt zu meinem Papa?«
Das Kind sah so ängstlich aus, als es die Frage äußerte, dass Bettina sofort den Kopf schüttelte. »Nein, bestimmt nicht, wenn du nicht willst.«
»Wo soll ich denn dann hin?«
»Na, erst mal bist du ja hier bei mir und bei Leon. Jetzt machen wir es uns gemütlich und morgen sehen wir weiter. Möchtest du, dass ich dir ein Gutenachtlied spiele?«
»Ja. Für meine Mama. Die hat immer gerne mit mir gesungen. Meinst du, sie hört uns?«
»Bestimmt.«
Ohne sich von Frau Dr. Husemann zu verabschieden, klickte Bettina das Gespräch weg und holte ihre Gitarre Gitti.
79 Die Flugkapitänin blieb hart. »Ich lasse Sie mit einem Gewehr nicht ins Flugzeug. Wenn Sie es unbedingt mitnehmen wollen, dann trennen Sie Waffe und Munition und ich kann es hinten im Stauraum unterbringen, bei den Koffern. In den Fahrgastinnenraum nehmen Sie das Gewehr nicht mit. Wissen Sie, wie viele Jahre auf Hijacking stehen?«
»Wir entführen Ihre Maschine nicht, wir beschlagnahmen sie«, stellte der Polizist Jens Hagen klar. »So, wie die Dinge sich entwickelt haben, ist es unsere einzige Chance, mögliche Virenträger abzufangen. Wir sind es den Menschen auf der Insel schuldig, wir kämpfen für sie und …«
Heinz Cremer unterbrach seinen Fürsprecher: »Wir haben keine Zeit für große Worte. Wie heißen Sie, junge Frau?«
»Doris Becker.«
Sie sah das wohlbekannte Grinsen in Cremers Gesicht. So reagierten alle auf ihren Namen. Sie war es leid, unendlich leid. Doch genau jetzt, in dieser Situation, gab es ihr Kraft, denn es hatte etwas Altbekanntes an sich. Sie konnte sich niemandem vorstellen, ohne dass der Name »Boris« fiel und über Tennis gesprochen wurde. Auch diese hochexplosive Situation bekam dadurch für sie etwas Alltägliches.
»Machen Sie jetzt bitte keinen billigen Witz. Glauben Sie mir, ich kenne alle Tenniswitze, und wenn ich etwas hasse, dann Tennis und alles, was damit zusammenhängt.«
Heinz Cremer nahm das als Beziehungsangebot ihrerseits und zeigte ihr mit einer Geste die Situation.
»Liebe Frau Becker, wir sind zu viert. Wir sind bewaffnet. In jeder Minute werden hier neue Mitstreiter eintrudeln. Dies ist nicht die einzige Maschine, die wir beschlagnahmen. Ihre Passagiere stehen vorläufig unter Quarantäne.«
»Ich habe keine Passagiere an Bord. Ich bin aus Bremen leer hierhergeflogen.«
»Warum?«
»Weil das mein Job ist. Mein Chef verkauft Autos der Spitzenklasse in der ganzen Welt. Sonderanfertigungen. Ferrari, Lamborghini – Sie können bei uns auch einen Rolls kaufen oder einen Aston Martin. Mein Chef macht hier Urlaub. Er hat mich vor ein paar Stunden angerufen und gesagt, ich solle ihn so rasch wie möglich von der Insel holen.«
»Das heißt, er wird hier gleich auftauchen.«
»Damit ist zu rechnen.«
»Leider können Sie ihn nicht transportieren. Sie fliegen jetzt uns.«
»Ich sagte bereits, dass ich Sie mit dem Gewehr …«
»Gute Frau Becker, Sie haben keine Wahl.«
Der Uniformierte an
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