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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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zwanzig Meter hohe Mauer um die Insel bauen, dann wird das nichts nutzen. Es kommt garantiert jemand, der eine Leiter mitbringt, die einen Meter höher ist.«
    »Wo … wo ist …?« Holger Hartmann stammelte. Er verlor seine Sprache schon wieder. Diese Pilotin hatte etwas von der lähmenden Energie seiner alten Deutschlehrerin. Allein deshalb hätte er sie am liebsten abgeknallt.
    »Heinz?«, rief er. »Heinz, bist du da drin?«
    Aus dem Flieger kam keine Antwort. Stattdessen fuhr Doris Becker ihn an: »Ihr Kumpel ist aus der offenen Tür gefallen! Ja, manche Sünden bestraft der liebe Gott sofort.«
    »Sie haben ihn umgebracht!«, schrie Holger Hartmann.
    Mit ausgebreiteten Armen ahmte Doris Becker die Bewegungen eines Flugzeugs nach. »Oh nein, ich habe die Maschine gesteuert. Er hat gegen alle Sicherheitsbestimmungen verstoßen. Vielleicht hat ein Schutzengel von den armen Menschen, auf die er geschossen hat, die Chance genutzt und ihn aus dem Jet gestoßen. Ich war es jedenfalls nicht. Ich habe im Cockpit gesessen.«
    Chris näherte sich gebückt. Sie wusste jetzt, wo Benjo gelandet war, und sie schöpfte neuen Mut. Sie griff Holger Hartmann von hinten an. Sie wollte ihm das Gewehr entwinden, aber er spürte ihren Angriff, kurz bevor er ihn traf. Er fuhr herum.
    Chris und Holger Hartmann kämpften um das Gewehr. Jens Hagen stand abseits und ärgerte sich über sich selbst, weil er nicht die Kraft fand, einzugreifen, und stattdessen nur kaute und darüber nachdachte, dass im Flugzeug vermutlich noch mehr Schokolade lag … Er brauchte Schokolade. Er war durch irgendetwas plötzlich süchtig danach geworden. Und der Sucht nachzugeben, war wichtiger als die Auseinandersetzung, die hier stattfand.
    Aber dafür ging Doris Becker auf Holger Hartmann los. Gemeinsam mit Chris kniete sie auf ihm und zerrte an seinen Haaren.
    »Was habt ihr mit meinem Mann gemacht?«, kreischte Chris.
    Doris Becker warf das Gewehr zunächst weg, dann plötzlich kochte die Wut in ihr hoch, sie holte es zurück und hob es, bereit zum Schlag, hoch. Aber aus Angst, Chris zu treffen, schlug sie nicht zu. Holger Hartmann reckte seinen Kopf und warf Chris ab. Er würgte sie und befand sich jetzt auf ihr. Die Szene glich einer Vergewaltigung.
    Doris Becker schwang den Gewehrkolben, aber etwas in ihr hinderte sie. Sie holte ein zweites Mal aus, biss die Zähne zusammen, schrie und schlug zu.
    Hartmann brach auf Chris zusammen. Mühsam arbeitete sie sich unter ihm hervor.
    »Danke«, sagte sie zu Doris Becker. »Danke.«
    »War es Ihr Mann, auf den geschossen wurde?«
    »Mein Freund. Wurde er getroffen?«
    »Ich glaube nicht. Bei ihm waren noch andere Personen. Ein Kind, glaube ich. Vielleicht zwei. Es sind noch andere Flieger unterwegs. Sie nehmen die Schiffbrüchigen unter Beschuss.«
    Chris stand sofort wieder auf den Beinen. Sie zitterte.
    Holger Hartmann kam wieder zu sich und rollte sich auf dem Boden herum. Er hielt sich den blutenden Kopf mit beiden Händen.
    Chris beachtete ihn nicht, sondern sprach weiter mit Doris Becker: »Bitte helfen Sie mir. Wir müssen ihn da rausholen – ihn und die Kinder.«
    Doris Becker stellte das Gewehr ab, dann schrie sie Jens Hagen an: »Stehen Sie nicht rum wie ein Schluck Wasser in der Kurve! Sie repräsentieren hier die Staatsmacht, Sie Flasche!«
    Jens Hagen schaute sie an, als würde er gerade erwachen. Er nickte. »Ja. Sie haben recht. Genau das bin ich. Eine Flasche. Ein Schluck Wasser in der Kurve. Ich habe vollständig versagt. Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Mir die Pulsadern öffnen?«
    »Nein. Sie sollen uns helfen. Jetzt sofort!«

 
    100 Bürgermeisterin Jansen befürchtete, dass ihr Schweiß nach Angst roch. Die Nähe der Männer war ihr unangenehm. Sie war es gewohnt, mit vielen verantwortlichen Männern zusammenzuarbeiten. Heute kamen sie ihr vor wie kleine Jungs, die nur »Willi wichtig« spielten, aber in Wirklichkeit nach Mamis Rock schielten. Alle sahen sie an. Der Satz »Sie hingen an ihren Lippen!« bekam jetzt sicht- und spürbare Bedeutung für sie. Obwohl die Sprechanlage laut gestellt war und jeder mithören konnte, hielt sie sich den Hörer ans Ohr und sprach völlig sinnlos ins Handgerät: »Selbst wenn ich wollte, ich könnte das Geld nicht zu Ihnen bringen. Ich bin zwar Bürgermeisterin, aber ich komme genauso wenig hinaus aus Emden wie alle anderen Menschen.«
    Der Mann mit dem Südstaatlerakzent ging gar nicht auf den Einwand ein: »Haben Sie das Geld?«
    »Ja. Es

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