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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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brüllte Thorsten: »Corinna?!«
    Niklas Gärtner packte seinen Sohn mit beiden Händen und zog ihn weg vom Fenster. Aber Thorsten wehrte sich. Er trat und schlug nach seinem Vater: »Lass mich in Ruhe! Lass mich in Ruhe! Da draußen liegt Corinna! Wir müssen sie reinholen! Wir müssen sie sofort …«
    »Thorsten!«, kreischte sie. »Thorsten!«
    Erneut fiel ein Schuss. Dann war alles still.
    Sie lauschten in die Nacht.
    Ubbo Jansen hielt die Küstenseeschwalbe an seinen Körper gedrückt. Er legte eine Hand über ihren Kopf, so, als müsse er einem Kind Augen und Ohren zuhalten, damit sich das furchtbare Geschehen nicht albtraumhaft einprägte und es traumatisierte …
    Thorsten konnte seine Tränen jetzt nicht länger zurückhalten. Er weinte wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal die Ungerechtigkeit der Welt spürt.
    Ubbo Jansen trug die Küstenseeschwalbe ins Bad nebenan und schloss sie dort ein. »Sei ganz ruhig«, flüsterte er. »Hier kann dir nichts passieren. Aber du musst ruhig sein. Ich komme zurück. Ich lasse dich nicht alleine. Du musst keine Angst haben. Ich versteh was von Vögeln, glaub mir. Ich bin dein Freund.«
    Der Kontakt zu dem Tier tat ihm gut. Er zog Kraft daraus, ja, er hatte das Gefühl, damit psychisch gesund zu bleiben und nicht durchzudrehen wie die anderen.
    Alle riefen Corinna, doch die antwortete nicht mehr.
    Dann sagte Tim trocken: »Mama kommt. Sie bringt Hilfe mit.«

 
    111 Als Chris in der Klinik Borkum Riff eintraf, war ihr Benjo vor Erschöpfung eingeschlafen.
    Die Farbe seiner Hose war unter dem Dreck nicht mehr zu erkennen. Seine durchnässten Socken lagen zusammengerollt vor ihm auf dem Boden und sein Oberkörper war nackt. Das zerrissene, blutbefleckte Hemd hing über der Sessellehne. Aus seiner rechten Hand war die saubere Kleidung geglitten, die man ihm in der Klinik angeboten hatte. Sein Kopf baumelte seitlich vom Sessel, so als drohe er jeden Moment herunterzufallen. Seine Lippen waren weit geöffnet, Speichel tropfte aus seinem Mund.
    Chris fand ihn zum Verlieben schön. Knuddelig, einfach zum Knutschen!
    Ihr Verstand sagte ihr, dass sie ihn schlafen lassen müsste, doch die Gefühle gingen mit ihr durch. Sie musste ihn jetzt berühren, küssen, an sich drücken.
    Margit Rose saß nicht weit von den beiden entfernt. Sie hielt es nicht auf der Bank aus und in einem Sessel konnte sie erst recht nicht sitzen. Sie hockte zusammengekauert auf dem Boden, so als sei die Ecke beim Papierkorb genau der Ort, an den sie gehörte.
    Sie hielt die Augen geschlossen und versuchte einen Deal mit Gott: »Wenn du mein kleines Mädchen rettest, werde ich eine gläubige Christin. Ich werde nie wieder Alkohol trinken. Ich werde mich an deine Gesetze halten. Ich tue alles, was du willst, lieber Gott, aber bitte, bitte, nimm mir nicht mein Kind. Es ist nicht richtig, wenn die Kinder vor den Eltern sterben. Wenn du eine Seele zu dir holen willst, lieber Gott, dann nimm mich dafür. Ich bin bereit. Ich weiß, dass nicht der Himmel auf mich wartet, aber wenn es denn die Hölle sein soll, bitte schön. Nur schenk meinen Kindern noch ein bisschen Lebenszeit.«
    Kai Rose war mit starken Medikamenten stillgelegt worden und hing an mehreren Tropfen, während ein Ärzteteam in einer vierstündigen Notoperation versuchte, Viola zu retten.
    Der Fuß von Dennis war so zerbröselt, dass der Knochenhaufen auf dem Röntgenbild für Laien nur schwer als Fuß erkennbar war. Trotzdem wussten die Ärzte, dass sein hohes Fieber eine andere Ursache hatte. So merkwürdig es sich anhörte, aber der Fuß war nicht sein größtes Problem. Die Knochen würde man schienen, nageln, ja ersetzen können. Das alles war nur eine Frage von Zeit und viel chirurgischem Können. Aber jetzt wütete das Virus gnadenlos im Körper dieses Jungen. Das Fieber stieg auf 42 Grad. Es war ein Wunder, dass er noch lebte.

 
    112 Als die Schwester von Philipp Reine kam, um nach ihrem Bruder zu sehen, fand sie zunächst Oskar Griesleuchter. Er hatte die Wohnzimmertür aus den Angeln gerissen und lag auf dem Boden unter der Tür.
    Es roch wie in einer Schnapsbrennerei. Eine umgekippte Gallone Whiskey hatte sich entleert und den Hochflor-Teppichboden getränkt.
    Sie glaubte, der Mann sei tot. Zögernd hob sie die Tür an. Sie wusste selbst nicht, woher sie den Mut nahm, denn sie vermutete ihren Bruder darunter. Doch dann sah sie Oskar Griesleuchter. Seine Augen waren glasig und weit aufgerissen. Er hatte den Mund zu einem stummen

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