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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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über sich selbst. Sie hatte mehrere Affären. Bei der Geburt von Dennis war sie noch völlig clean gewesen, hatte weder andere Männer nötig noch Gin.
    Viola würde er nicht so hartnäckig verteidigen, dachte sie. Viola würde er opfern.
    Sie kam sich bei dieser Verdächtigung wie eine Verräterin vor, obwohl sie es niemandem mitteilte, aber die Erkenntnis war so dramatisch. Obwohl Dennis bedroht war, hatte sie das Gefühl, Viola retten zu müssen, weil sie Kai nicht trauen konnte.
    Vielleicht spürte Viola etwas davon, jedenfalls sah sie in die Augen ihrer Mutter und war plötzlich nicht mehr zu halten. Als hätte sie vergessen, warum sie sich von ihr fernhalten sollte, stürmte sie plötzlich geradlinig auf sie zu. Dabei schrie sie aus Leibeskräften.
    Die Passagiere wichen ihr aus. Es war sofort eine Gasse frei, hin zu ihrer Mutter.
    Mit ihren sechs Jahren begriff Viola, dass sie Macht hatte. Niemand wollte in ihre Nähe kommen. Das war für sie schlimm, aber es half ihr auch. Sie konnte den Erwachsenen Angst machen. Sie liefen vor ihr davon, so etwas kannte sie sonst nur vom fröhlichen Fangenspielen. Aber das hier war anders. Sie machte den Menschen richtig Angst und es gab etwas in ihr, das fand Spaß daran.
    Benjo, der junge Mann neben ihrer Mutter, wich nicht aus, sondern blieb stehen. Viola drückte sich an die Schenkel der Mutter und verbarg ihr Gesicht in ihrem Schoß, als hätte sie vor, da hinein zurückzutauchen.
    Ein Kellner hob die Arme und gebot der Menge mit großer staatsmännischer Geste, Ruhe zu bewahren, dann sagte er: »Ich mache Ihnen allen einen Vorschlag. Wir werden jetzt die Kranken in einem gesonderten Raum isolieren, damit die anderen Passagiere nicht angesteckt werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten im Zwischendeck oder …«
    »Woher wissen wir denn, wer krank ist und wer nicht?«, rief Benjamin Koch. »Wer sagt, dass die Kinder nicht gesund sind? Vielleicht sind Sie ja selbst krank?«
    Benjos Frage traf den Kellner wie eine Nadelspitze einen prall aufgeblasenen Luftballon. Margit Rose glaubte sogar, das Entweichen der Luft hören zu können. Da war so ein leises Psssssst. Es passte absolut zu der plötzlich kraftlos gewordenen Gestalt.
    Ein angetrunkener Tourist aus Duisburg sprang ihm zur Seite. »Im Fernsehen sagen sie, die Inkubationszeit betrage nur wenige Stunden und das Virus sei äußerst aggressiv. Man kann nicht aufhören zu atmen. Wenn einer hier an Bord infiziert ist, schweben wir alle in größter Gefahr«, schimpfte er und er stampfte sogar mit dem Fuß auf, als er rief: »Wir dürfen das nicht ignorieren. Wir müssen handeln!«
    Der Raum leerte sich. Passagiere, die mit dem Auto auf die Fähre gekommen waren, verzogen sich klammheimlich in ihre Fahrzeuge und drehten die Scheiben hoch, um ja keine verseuchte Luft hereinzulassen.
    Henning Schumann aus Gelsenkirchen meldete sich zu Wort. Er war achtzehn Jahre alt, Schulsprecher, und er wollte später einmal Bundeskanzler werden – oder wenigstens Oppositionsführer. Noch war er in keiner Partei. Die, deren Programme ihm gefielen, waren zu klein und boten ihm keine Karrierechancen und die Parteien, die ihm eine persönlich angenehme Zukunft verheißen konnten, gefielen ihm nicht. Aber das würde sich finden. Den Lehrern an seinem Gymnasium war klar, dass er in die Politik gehen würde. Ganz ohne Zweifel saß bei ihnen in der Klasse nicht irgendein Achtzehnjähriger, sondern ein zukünftiger Bundespolitiker.
    »Na, klasse Vorschlag. Sollen wir den Kleinen über Bord werfen oder was?«, spottete Henning. »Das ist doch wieder alles nur so eine hochgepeitschte Panikmache der Pharmaindustrie. Die wollen, dass Staat und Krankenkassen Milliarden für eine Impfung ausgeben, die am Ende kaum einer braucht und die mehr Schaden anrichtet, als Nutzen zu bringen.«
    Einen kurzen Moment lang hatte Henning die Menschen nachdenklich gemacht. Margit Rose warf ihm einen dankbaren Blick zu. Kai Rose ärgerte sich, dass er nicht darauf gekommen war. Hätte Henning Schumann heute schon zur Wahl gestanden, um die Stimmen von Kai und Margit Rose sowie Benjamin Koch und den Girlies hätte er sich keine Sorgen zu machen brauchen.
    Umso mehr Kontra bekam er von Brad Pitt, dem Dicken. »Halt’s Maul, Klugscheißer! Die machen die Vereinigten Staaten nicht dicht, um ein paar Dollar zu verdienen. Das hier ist kein Werbegag. Und da draußen ist gerade ein Mann gestorben!«
    Er zeigte in Richtung Borkum und sein Speichel zog lange Fäden.
    »Ja«,

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