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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Möglichkeit, der Putzkolonne Dienstanweisungen zu geben … Jedenfalls haben dann die Eltern beschlossen, ihren Kindern selber Seife mitzugeben. Können Sie sich vorstellen, was in einer Grundschule abgeht, wenn jedes Kind ein Stück Seife mitbringt? Das wird die reinste Schneeballschlacht! Als Erstes brach sich unsere Konrektorin ein Bein.«
    Der Reporter unterbrach ihn. »Und wie wurde das Problem gelöst?«
    Der Direktor lachte bitter. »Na, wir hatten drei Schweinegrippefälle und mussten die Schule schließen. Das war ja bestimmt billiger als Seife und Desinfektionsmittel. Das alles ist jetzt schon zwei Jahre her, aber wir haben immer noch keine Seifenspender. Zum Glück kommt das neue Virus in unserer Ferienzeit. Da haben wir als Schule noch mal Schwein gehabt.«
    Der Mann draußen schlug jetzt mit der flachen Hand gegen die Windschutzscheibe. Selbst seine Hand hatte für Charlie etwas von einer Flosse.
    Charlie hasste Karpfen. Als er ein Kind war, hatte seine Oma ihn einmal gezwungen, vom Silvesterkarpfen zu essen. In seinem Mund war das wabbelige Fischstück immer größer geworden.
    »Machen Sie auf, das ist unterlassene Hilfeleistung, ist das! Sie können uns doch hier nicht verrecken lassen!«
    »Hier verreckt keiner, Opa«, sagte Charlie mehr zu sich. Da trat der alte Mann gegen die Tür des Autos. Charlie unterdrückte den Impuls, auszusteigen. Genau das will der nur, dachte er und beschloss, einfach stur abzuwarten, was passierte.
    Er sah den Mann wütend an und wischte sich über die Lippen, weil er plötzlich wieder diesen ekelhaften Fischgeschmack im Mund hatte. Er erinnerte sich daran, dass er damals nichts vom Nachtisch bekommen hatte, weil er sein Karpfenstück nicht aufessen wollte. Er hatte geheult vor Wut über sich selber, weil er es einfach nicht schaffte, diesen fettigen Fisch runterzuwürgen, dabei hätte er so gerne von der Eisbombe gegessen.
    Der zweite Tritt war heftiger, beulte den Kotflügel ein und blähte in zwanzig Millisekunden den Frontairbag auf. Eingeklemmt zwischen dem Sicherheitsluftballon und dem Fahrersitz verfluchte Charlie die blöde Idee, auf Borkum Urlaub machen zu wollen.
    Benjo Koch konnte sich nicht heraushalten. Einer musste sich um die Kinder kümmern. Margit und Kai Rose hatten anscheinend so viel mit sich selbst zu tun, dass die schwer verletzten Kinder nur am Rande ihres Bewusstseins auftauchten wie ein fernes Wetterleuchten.
    Kai Rose tupfte sich immer wieder demonstrativ Blut von der Oberlippe, wie ein ständig sich erneuernder Vorwurf, weil Margit ihm zwei Ohrfeigen verpasst hatte. Inzwischen aber blutete er schon gar nicht mehr, was er mit einem Blick auf das Papiertaschentuch ernüchtert registrierte. Es wurmte ihn, etwas mehr Blut wäre ihm lieber gewesen. Alles, was ihre Schuld erhöhte, war jetzt gut.
    »Ich glaube«, sagte Benjo Koch, »Viola hat sich die Rippen gebrochen. Etwas stimmt mit ihr nicht. Sie kriegt keine Luft.«
    »Sieh nur, was du angerichtet hast!«, warf Kai Rose seiner Frau vor. Sofort knallte sie ihm noch eine. So hatte er sie fertiggemacht, die ganze Zeit. Jetzt wurde es ihr so deutlich wie nie zuvor. Keine Therapiestunde hatte sie so weit gebracht wie dieser Satz von ihm.
    »Du bist immer der Gute und Tolle in unserer Beziehung und ich die mit den Problemen! Aber das stimmt nicht, du würgst mir einfach alles rein! Das kann man ja nur im Suff ertragen, diese Schuld, diese übergroße Schuld!«
    »Wir brauchen einen Arzt. Verdammt, die Kinder brauchen sofort einen Arzt!«, schrie Benjo. Er stürmte zur Tür und riss sie auf. Kai Rose wollte ihn wegzerren, aber Benjo stieß ihn hart zurück. Kai taumelte und krachte gegen ein Pissoirbecken.
    Benjo stürzte hinaus aufs Deck.
    »Wir haben hier zwei verletzte Kinder! Wir brauchen dringend medizinische Hilfe!«, sagte er mit erstaunlicher Selbstsicherheit, obwohl er am liebsten von der Reling in die Nordsee gesprungen wäre, um zu seiner Chris zu schwimmen.
    Der Kellner ließ seinen abgebissenen Finger in einer Plastiktüte auf dem Eis der Getränkekiste kühlen und wurde gerade verbunden – von der Aushilfskellnerin Heidrun, die er vor Kurzem noch für eine blöde Ziege gehalten und deren Festanstellung er aktiv hintertrieben hatte.
    Jetzt hätte er ihr am liebsten dankbar einen Heiratsantrag gemacht, wenn er nicht schon verheiratet gewesen wäre …
    »Wenn hier einer einen Arzt braucht, dann ich!«, kreischte er.
    »Tür zu!«, befahl Helmut Schwann mit herrischem Tonfall.
    Benjo

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