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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Geburtstagsüberraschung.
    »Kommen Sie wieder ins Auto. Steigen Sie um Himmels willen ein und lassen Sie uns hier abhauen«, raunte sie in sein Ohr.
    Er war gerührt davon, wie sehr seine zukünftige Schwiegertochter sich um ihn sorgte, aber er wollte seine Hühnerfarm auf keinen Fall diesem aufgebrachten Pöbel überlassen. Die Typen würden gleich die Gebäude anzünden.
    Er beschloss, die Tricks seines Sohnes zu nutzen.
    »Film das, Tim!«, rief er. »Ich will jedes einzelne Gesicht haben. Zoom sie nah heran, damit die Polizei hinterher keine Schwierigkeiten hat, sie zu identifizieren!«
    Was macht der Kerl da, dachte Tim. Ist der völlig verrückt geworden?
    Zu gern wäre er aus dem Rollstuhl gesprungen und hätte sich ebenfalls neben seinen Vater gestellt, doch das ging schließlich nicht ohne Krücken … so tat er genau das, was sein Vater von ihm verlangte. Er zoomte mit seiner Digicam das erste Gesicht heran. Es war Thorsten Gärtner.
    Er hatte einen v-förmigen Oberkörper. Tim vermutete, dass er seit Monaten Testosteron nahm und in einem Fitnesscenter mit Gewichten hart trainierte. Thorsten hatte nur an der Oberlippe einen unregelmäßigen Bartwuchs, rasierte sich aber die Augenbrauen, die sonst über der Nasenwurzel zusammengewachsen wären wie bei seinem Vater. Auf keinen Fall wollte er aussehen wie der, aber trotz aller Bemühungen wurde er ihm täglich ähnlicher.
    Tim kannte Thorstens Vater. Er hatte mit dem Versicherungsangestellten nach seinem Unfall viel zu tun gehabt. Fast alle Bewilligungen für den Rollstuhl, die Reha und so weiter waren über seinen Schreibtisch gelaufen. Es gab eine Zeit, da hatte Tim Herrn Gärtner zwei-, dreimal pro Monat gesehen.
    Als Tim die Kamera aus dem Inneren des Autos jetzt auf die Glatze mit der Knubbelnase richtete, sah er in der Vergrößerung, dass der junge Skin mehrere Einschnitte auf der Kopfhaut hatte. Entweder war jemand mit einem Messer auf ihn losgegangen oder er hatte sich beim Kahlrasieren selbst verletzt. Er versuchte, seine Muskeln möglichst vorteilhaft zu präsentieren, was ihn aber nicht cool aussehen ließ, sondern eher verspannt.
    Der Skin schielte zu einer schmalen blonden Frau. Sie hieß Corinna, war zehn Zentimeter größer als er, und wenn sie für jeden seiner feuchten Träume, in dem sie die Hauptrolle spielte, mit ihm ein Jahr verheiratet gewesen wäre, hätten sie beide die silberne Hochzeit längst hinter sich gehabt.
    Natürlich wusste sie nichts davon, sonst hätte sie ihm vermutlich eine reingehauen.
    »Holt den Typ aus dem Auto!«, kommandierte Witko Atkens jetzt, »und nehmt ihm die Scheißkamera ab!«
    Tim machte einen raschen Schwenk über die anderen. Er zählte sieben Leute. Es hatte vorhin so ausgesehen, als wären sie viel mehr. Waren schon einige von ihnen weggelaufen? Machte sein Vater solchen Eindruck auf die Bande?
    Aber der Skin schob sich jetzt vor Thorsten Gärtner und schlug Ubbo Jansen eine rechte Gerade ins Gesicht. Der wackelte kurz. Ihm wurde schwindlig. Dann schlug er zurück. Einen Aufwärtshaken durch die Deckung, direkt auf die Knubbelnase.
    Obwohl kein Auge getroffen wurde, machte der Schlag Witko Atkens fast blind. Er hatte eine sehr eigenwillige Art, mit Schmerzen umzugehen. Er begann zu lachen. Und dann stürzte er sich auf Ubbo Jansen.
    Mit ihm brach plötzlich die ganze Bande los. Auf einmal waren es viel mehr als die sieben, die Tim ausgemacht hatte. Der Einzige, der sich nicht an der Schlägerei beteiligte, war Thorsten Gärtner. Er ging stattdessen auf das Auto zu, klopfte an die Scheibe, fixierte Tim und sagte: »Gib mir die Kamera.«
    Tim schüttelte den Kopf. Er hatte das Gefühl, jetzt nichts Besseres für seinen Vater tun zu können, als alles zu filmen. Er schrie: »Lasst meinen Vater in Ruhe, ihr Schweine! Seid ihr verrückt?«
    Ubbo Jansen lag schon am Boden. Sie traten auf ihn ein.
    Eine junge Frau trat besonders heftig zu. Es war Corinna.
    Merkwürdigerweise tat niemand Josy etwas. Sie wurde weggeschubst, weil sie im Weg stand, aber man nahm sie als Gegnerin nicht ernst. Niemand schlug sie. Der ganze Hass kehrte sich gegen Ubbo Jansen.
    »Ihr tötet ihn! Ihr tötet ihn!«, schrie Tim. Er schaffte es nicht mehr zu filmen. Er schlug mit der Faust von innen gegen die Scheibe.
    Da riss Josy in ihrer Verzweiflung die Plastiktüte von der Küstenseeschwalbe und hob das Tier aus dem Versteck. Mit beiden Händen umfasste sie den Brustkorb des Vogels. Der angeschossene rechte Flügel stand

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