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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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nicht.
    Als sich das Tor fauchend öffnete, sah Ubbo Jansen links von sich ein paar Jugendliche stehen. Der Wind jagte die Wolken über ihnen hin in Richtung Meer. Fast sah es aus, als würden sie vor ihnen fliehen. Die Gestalten warfen unheilvolle Schatten auf die stacheldrahtbewehrten Mauern.
    Ubbo Jansen beschlich ein mulmiges Gefühl. Es fiel ihm schwer, in dieser Situation seine Hühnerfarm alleinzulassen. Diese Aktion hier konnte ihn gut eine Stunde wichtiger Lebenszeit kosten, aber sein Sohn war es ihm wert. Er musste das hier jetzt hinter sich bringen, erst danach konnte er sich wieder um seine Geschäfte kümmern. Er wollte sich nicht für den Rest seines Lebens vorwerfen lassen, er sei dem Liebesglück seines Sohnes im Weg gewesen.
    Ein Stein krachte aufs Autodach. Das scheppernde Geräusch setzte sich in den Innenraum fort und tat weh in den Ohren. Erschrocken stieß Tim Jansen einen tierischen Laut aus und die Küstenseeschwalbe stimmte mit einem jämmerlichen »Kiu« ein.
    Ubbo Jansen bremste. Der Stein rollte vom Auto. Ein zweiter traf die Kühlerhaube.
    »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff!«, rief Witko Atkens, eine Glatze mit Knubbelnase.
    Er hatte sich den Bügel seiner Machobrille vorn ins Feinrippunterhemd geklemmt.
    Sie hatten Pechfackeln dabei und man brauchte nicht viel Vorstellungskraft, um zu ahnen, was sie vorhatten. Doch seitdem Ubbo Jansen den Hai im Indischen Ozean erlegt hatte, war er nicht mehr derselbe Mann wie zuvor. Vor dieser Angeltour wäre er umgekehrt, hätte die Polizei gerufen und um Hilfe gebeten. Doch jetzt stieg er zunächst voll in die Bremsen, riss dann das Lenkrad herum und bretterte trotz der Proteste seines Sohnes und Josys Schrei »Sind Sie wahnsinnig?« auf die Meute zu. Er ließ sich nichts mehr gefallen und vor denen da hatte er schon gar keine Angst.
    Nein, er fuhr nicht in die Menge, wie alle, selbst sein Sohn, erwartet hatten. Er bremste vorher ab, stieß die Wagentür auf und sprang hinaus. Seine wutentbrannte Stimme ließ die Kindergesichter zusammenzucken.
    »Wer war das? Wer hat den Stein auf mein Auto geworfen? Ich hoffe, eure Eltern sind gut versichert! Glaubt ja nicht, dass ihr damit durchkommt! Ich zieh euch die Ohren lang, ihr …«
    Thorsten Gärtner aus der 10a vom Johannes-Althusius-Gymnasium, mit einer Eins in Mathematik, Physik, Chemie und einer Zwei minus in Religion/Ethik, ließ sich von alten Männern nicht einschüchtern. Er kannte diese Typen. Sie waren wie sein Vater. Aufgeblasene Maulhelden mit dreizehn Monatsgehältern, Bausparverträgen und angefressener Diabetes.
    »Den Typen vom Gesundheitsamt können Sie vielleicht Angst einjagen, aber uns nicht, Herr Jansen.«
    »Wenn der Multikultistaat nicht in der Lage ist, uns zu schützen, werden wir es selber tun«, rief der mit der Knubbelnase und hob seine Pechfackel. Es war ihm noch nicht gelungen, sie anzuzünden, der Wind blies seine Streichhölzer immer wieder aus und die Gasladung in seinem nachfüllbaren Feuerzeug war für eine große Flamme nicht mehr stark genug.
    Schlagartig wusste Tim, dass er später von seinem Vater für diese Situation verantwortlich gemacht werden würde, und irgendwie war er es ja auch. Schließlich hatte er die Auseinandersetzung seines Vaters mit Ulf Galle und Carlo Rosin ins Internet gestellt und es war vielleicht der Eindruck entstanden, diese Hühnerfarm sei der Grund allen Übels.
    Sein Magensäurespiegel stieg an. Er forderte lauthals, sein Vater solle aufhören mit dem Scheiß und wieder ins Auto steigen, aber der dachte gar nicht daran, sich von seinem Sohn zurückpfeifen zu lassen.
    Das Schlimmste für Tim war der Gedanke, seinem Vater nicht mal helfen zu können, wenn er jetzt angegriffen werden würde, denn er saß wenig kampffähig im Rollstuhl. Aus seiner jetzigen Perspektive kam ihm der Rücken seines Vaters viel breiter vor als früher.
    Ubbo Jansen sprach mit fester Stimme und machte einen furchtlosen Eindruck: »Was wollt ihr mit den Fackeln? Dies hier ist privater Boden. Ihr habt kein Recht, hier zu sein!«
    »Nein, dies ist eine Straße, alter Mann. Eine ganz normale, öffentliche Straße. Wir haben jedes Recht der Welt, hier zu sein. Das dahinten ist dein Haus. Aber glaub ja nicht, dass die Dinge, die darin geschehen, uns nichts angehen. Menschen sterben! Mit eurem Scheiß-Federvieh macht ihr uns alle krank!«
    Josy stieg aus dem Auto und stellte sich neben Ubbo Jansen. Sie hielt die Plastiktüte immer noch unterm Arm wie eine

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