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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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weniger gestorben?«
    »Das kann man doch überhaupt nicht vergleichen!«
    »Wenn ihr sie nicht rausschmeißt, werdet ihr alle sterben.«
    Lukka setzte sich ganz vorsichtig anders hin. Ich darf mich nicht aufregen, dachte sie. Wenn ich mich aufrege, geht mein Kreislauf hoch und dann fängt die Wunde wieder an zu bluten. Alles ganz ruhig. Alles ganz ruhig.
    Sie blickte hinaus auf Antje, und als sie ihr Gesicht sah, fragte sie sich, wer schlimmer dran war. Antje oder Regula.
    »Wenn sie krank ist, hat sie uns sowieso längst angesteckt. Dann hängst du bald genauso in den Seilen wie sie. Hoffentlich hast du dann jemanden, der dir hilft«, hauchte Lukka. Dann sickerte erneut Blut aus ihrer Wunde in die Mundhöhle.
    Charlie saß jetzt wieder hinterm Steuer, als könne er jeden Moment losfahren. Und nichts hätte er lieber getan. Stattdessen schlug er mit den Fäusten aufs Lenkrad.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte er leise. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.«

 
    51 Knubbelnase Witko Atkens hatte von der Schrotladung einige heftig blutende Fleischwunden und schrie wie am Spieß. Es tat dem Skin gut, endlich einen Grund zu haben, so tierisch herumzubrüllen. Er schrie alles heraus: Wut, Hass, Verzweiflung. Es war, als würde sich alles das in diesem Schrei treffen: seine nicht gelebten Träume, seine unterdrückten Wünsche und seine Ängste.
    Corinna fühlte sich in die schlimmsten Szenen aus Stephen Kings Romanen versetzt, die sie nachts im Bett las, um ihren eigenen täglichen Albtraum zu vergessen. Sie war eigentlich Arzthelferin, hatte aber schon in der Probezeit ihren Job verloren, weil die Frau von ihrem Chef eifersüchtig auf sie war. Mit dieser Darstellung jedenfalls konnte Corinna gut leben, doch sie wusste selbst, dass sie es einfach vergeigt hatte. Sie war ein paarmal zu spät gekommen, hatte Blutproben vertauscht, Termine am falschen Tag eingetragen, und als ein Patient sich beschwerte, weil er so lange im Wartezimmer sitzen musste, hatte sie ihn ein »dämliches Arschloch« genannt.
    Jetzt hofften alle, dass sie in der Lage war, Knubbelnase zu helfen. Die Rolle, die ihr damit zugedacht wurde, war ihr ein paar Nummern zu groß, aber sie übernahm sie gerne.
    Er lag unter der Linde, neben der Leiter, auf dem Boden. Corinna zog ihm das Unterhemd aus.
    Sein Oberkörper erinnerte sie auf fatale Weise an den Rollbraten, den ihre Mutter Weihnachten machte und mit Knoblauch spickte. Corinna durfte schon als kleines Mädchen mit einer Gabel ins Fleisch stoßen und dann die Knoblauchzehen hineinschieben. Den Braten mochte Corinna im Grunde nicht, aber sie liebte es, ins rohe Fleisch zu stechen. In Witkos Haut steckten statt Knoblauchzehen Schrotkörner.
    »Wird er durchkommen?«, fragte Justin, der mit seinen zwölf Jahren der Jüngste in der Gruppe war. Ohne seinen älteren Bruder Eddy hätten die anderen ihn nicht mitmachen lassen.
    »Siehst du, Kleiner«, sagte Eddy, »das ist Krieg. Richtiger Krieg. Keine Angst, der wird nicht sterben. Der ist hart im Nehmen. Eine echt coole Sau.«
    Witko Atkens wand sich auf dem Boden wie ein Aal, den ein Angler an Land geworfen hat und der nur zurück ins Wasser will.
    »Stopp seine Blutungen«, sagte Thorsten Gärtner.
    »Ja, danke für die Anweisungen, Herr Chefarzt. Können Sie mir dann bitte das Operationsbesteck bringen? Dann brauche ich noch ein paar sterile Tücher und ein Antiseptikum.«
    »Wir können ihn nicht ins Krankenhaus bringen. Die müssen jede Schussverletzung der Polizei melden und dann sind wir dran. Die lassen sich von dem Typen da«, er zeigte auf die Hühnerfarm, »einschüchtern, weil seine Frau Bürgermeisterin ist. Deswegen denkt er, er kann sich alles erlauben. Die regieren dieses Land wie eine Bananenrepublik.«
    »Thorsten, ich kann ihn nicht wirklich versorgen.«
    »Ich denk, du bist Arzthelferin?!«
    »Ja, aber …«
    »Tu’s einfach.«
    Justin sagte: »Ich hab in einem Western gesehen, dass man die Wunden ausbrennen muss. Mit einer heiß gemachten Messerspitze kann man die Kugeln herausholen, damit er keine Blutvergiftung bekommt.«
    Zwischen zusammengebissenen Zähnen presste Witko hervor: »Pass bloß auf, Kleiner, ich geb dir gleich ’ne heiß gemachte Messerspitze!«
    Corinna drückte ein Schrotkorn aus der Wunde heraus wie einen Mitesser. Der Schmerz raubte Knubbelnase fast den Verstand. Mit beiden Händen packte er Corinnas Hals und würgte sie.
    »Wenn du das noch mal machst, leg ich dich um, du blöde Kuh«,

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