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Todescode

Todescode

Titel: Todescode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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hatte seine eigenen Rituale vor dem Zubettgehen. Manche brauchten ein Bad, andere eine Tasse Tee. Manche lasen gern noch ein wenig im Bett, andere hörten Musik. Ben zog eine Zimmerdurchsuchung mit einer Glock im beidhändigen Griff vor.
    Er setzte sich auf die Bettkante und überlegte, was er tun sollte. Verdammt, was hatte er sich bloß dabei gedacht? Er hätte beinahe … Menschenskind, er wusste nicht, was er beinahe getan hätte.
    Das kommt von dem ganzen Druck, Mann. Die Sache auf dem Parkplatz vom Four Seasons heute Morgen … Es war bloß eine verzögerte Postkampfgeilheit, mehr nicht. Und die Folge von zwei Gin-Martinis ohne Eis.
    Ja, vielleicht. Aber das änderte nichts daran, dass er nur eine Nanosekunde davon entfernt gewesen war, sie zu küssen. Sie zu
küssen
. Von wegen, wenn er es nicht geschafft hätte, den Abflug zu machen, dann wäre er jetzt höchstwahrscheinlich in ihrem Zimmer und nicht nur mit Küssen beschäftigt.
    Er warf einen Blick auf die Zwischentür. Sie war so nah, gleich auf der anderen Seite, starrte jetzt vermutlich selbst die Tür an. Wenn er klopfen würde, würde sie aufmachen. So wie sie ihn angesehen hatte …
    Er rieb sich fest mit einer Hand durchs Gesicht. Er verhielt sich sträflich blöd. Er hatte von Typen gehört, die in solche Liebesfallen getappt waren. Er hatte sie immer für Idioten gehalten, und jetzt war er knapp davor, selbst einer zu werden.
    Sie hatte ihn mächtig beeindruckt. Ja, das hatte sie. Das, was sie über seine Familie gesagt hatte … eine Hälfte von ihm wollte mit ihr ins Bett, die andere Hälfte wollte ihr eine reinhauen. Was wusste sie schon? Er sah seine Tochter nicht –
was ist los? Hast du Angst, ihren Namen zu sagen? Ami. Deine Tochter heißt Ami
– er sah Ami nicht, denn was für ein Vater hätte er ihr schon sein können? Er tat Dinge, mit denen sich nur in Stille und Einsamkeit leben ließ. Was sollte er denn machen – sich einfach das Blut von den Händen waschen und dann nach Hause kommen und sich anhören:
Hi, Schatz, wie war dein Tag? – Gut, Liebling, hab zwei Geldgeber von Terroristen in Algier umgelegt und konnte unerkannt abhauen. Gott sei Dank, denn sollte ich mal Mist bauen, wird die
US
-Regierung leugnen, von meinen Aktivitäten Kenntnis zu haben, und wenn ich es nicht mehr schaffe, eine Cyanidkapsel zu schlucken, werde ich mit Sicherheit im Knast zu Tode gefoltert. Was gibt’s zum Abendessen
?
    Bitte. Es war besser so für sie. Er hatte nicht das Zeug zum Ehemann, und schon gar nicht zum Vater. Er konnte es nicht ertragen, wenn Menschen von ihm abhängig waren. Er musste einfach allein sein.
    Warum also störte es ihn dermaßen, dass Sarah Angst vor ihm hatte? Er sollte über ihre Angst froh sein. Die Angst war das beste Mittel, um sie bei der Stange zu halten, um zu verhindern, dass sie der Polizei erzählte, was am Four Seasons passiert war.
Oderint dum metuant.
Und wieso hatte ihn die Art, wie sie ihm ihre Angst gestanden hatte, so gerührt? Er hätte ihre Angst lieber noch durch irgendwas weiter schüren sollen, statt diesen Schwachsinn zu stammeln, dass es hinterher so wäre, als wäre nichts von all dem je passiert. Statt sie zu beruhigen. Herrgott noch mal, er hatte … er hatte doch tatsächlich versucht, sie zu beruhigen. Er musste den Verstand verloren haben.
    Im Grunde wusste er rein gar nichts über sie. Wirklich nicht. Wenn er sie anders als mit Skepsis und Argwohn behandelte, dann nur, weil ihm sein Schwanz in die Quere gekommen war, basta. Er sollte sich einfach einen runterholen und schlafen gehen und vergessen, was heute Nacht beinahe passiert wäre.
    Beinahe. Das war das Schlüsselwort. Okay, er war in Versuchung gekommen, wer wäre das nicht? Sie war schön, das ließ sich nicht bestreiten. Und sie hatte irgendwas an sich, das ihn nicht kaltließ – so dass er sie in der einen Minute beschützen wollte und in der nächsten am liebsten gegen die Wand drücken und mit den Händen berühren und zum Schweigen bringen, indem er seinen Mund auf ihren presste.
    Mit den Händen berühren. Er hatte sich nichts dabei gedacht, als er sie in der Bar abgetastet hatte – er war zu sehr auf die Möglichkeit konzentriert gewesen, dass sie bewaffnet sein könnte. Doch sobald er sich vergewissert hatte, dass sie keine Waffe trug, hatte er sich entspannt, und es war so, als wäre er auch in anderer Hinsicht unvorsichtig geworden, denn die Art, wie sie ihm in die Augen gesehen hatte, während sie ihm mit den Händen an den

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