Todesdämmerung
Stimme war nur noch ein Flüstern.
Sie starrte ihn an und war nicht sicher, ob sie hören wollte, was er jetzt noch zu sagen hatte. In den letzten zwei Tagen hatte sie das Gefühl gehabt, sie befänden sich in einem Schraubstock. In den letzten paar Stunden hatten die Bakken des Schraubstockes sich ein wenig gelockert, aber jetzt drehte Grace Spivey die Zwinge wieder zu.
Er sagte: »Sie haben meinen Mercedes in der Garage in Westwood gefunden. Auf einen anonymen Hinweis hin, der telefonisch bei der Polizei eingegangen ist. Im Kofferraum hat man eine Leiche gefunden.«
Erschreckt fragte Christine: »Wer ist das?«
»Das wissen sie noch nicht. Ein Mann. Um die Dreißig. Ohne irgendwelche Ausweispapiere. Von zwei Schüssen getötet.«
»Spiveys Leute haben ihn getötet und in Ihren Wagen gelegt?« fragte sie und behielt dabei Joey im Auge, der immer noch mit den Spielzeugpistolen beschäftigt war.
»Mhm. So habe ich es mir auch zusammengereimt. Vielleicht war er in der Garage, als sie uns angriffen. Vielleicht hat er zuviel gesehen und mußte beseitigt werden, und dann haben sie erkannt, daß sie seine Leiche dazu benutzen konnten, um die Polizei auf meine Spur zu setzen. Jetzt hat Grace nicht nur ihre ein- oder zweitausend Anhänger, die nach uns Ausschau halten; jetzt hilft ihr jeder Polizist im ganzen Staat bei der Suche.«
Sie waren stehengeblieben und redeten leise, aber ein dringlich, ohne weiter vorzugeben, sich nur für Lebensmittel zu interessieren.
»Aber die Polizei glaubt doch sicherlich nicht, daß Sie ihn getötet haben.«
»Sie müssen annehmen, daß ich irgendwie in die Sache verwickelt bin.«
»Aber werden die denn nicht begreifen, daß es mit dieser Kirche in Verbindung steht, diesem verrückten SpiveyWeib?«
»Sicher. Aber sie könnten auch glauben, daß der Mann in meinem Kofferraum einer von ihren Leuten ist, daß ich ihn beseitigt habe. Aber selbst wenn sie etwas ahnen, müssen sie mit mir sprechen. Sie müssen einfach einen Haftbefehl gegen mich erlassen.«
Jetzt war die ganze Welt hinter ihnen her. Sie hatte das Gefühl, als rückte der Tod von allen Seiten näher. Es schien hoffnungslos. Wie ein Gift machte sich die Verzweiflung in ihren Knochen breit, sog alle Kraft aus ihr heraus. Sie wollte einfach hier weg, sich hinlegen, die Augen schließen und eine Weile schlafen.
»Kommen Sie«, sagte Charlie. »Sehen wir, daß wir die Einkäufe erledigen und alles zum Motel schaffen und dann den Wagen wegbringen. Ich möchte mich verkriechen, ehe irgendein Bulle unsere Nummernschilder entdeckt oder mich erkennt.«
»Meinen Sie, die Polizei weiß, daß wir nach Santa Barbara gefahren sind?«
»Wissen können Sie es nicht, aber sie können sich zu rechtreimen, daß wir Los Angeles in nördlicher Richtung verlassen haben; also liegt Santa Barbara nahe.«
Während sie durch die restlichen Reihen gingen und dann an der Kasse bezahlten, hatte Christine Atemschwie rigkeiten. Sie hatte das Gefühl, ein Scheinwerfer wäre auf sie gerichtet. Sie wartete die ganze Zeit darauf, daß plötzlich Sirenen oder Alarmglocken ertönten.
Joey wurde noch lethargischer und ruhiger als zuvor. Er fühlte, daß sie irgend etwas vor ihm verbargen, und vielleicht war es nicht gut, ihm die Wahrheit vorzuenthalten. Aber sie entschied, daß es schlimmer wäre, wenn sie ihm sagten, daß die Hexe ihr Haus niedergebrannt hatte. Das würde ihn davon überzeugen, daß sie nie mehr zurückgehen würden, nie mehr nach Hause gehen würden, und damit würde er vielleicht nicht mehr fertig werden. Sie selbst wurde damit kaum fertig.
Weil es vielleicht die Wahrheit war. Vielleicht würden sie nie mehr nach Hause zurückkehren können.
44
Charlie fuhr den Ford auf den Motelparkplatz, parkte ihn vor ihrem Apartment — und entdeckte eine Bewegung an dem kleinen Küchenfenster. Es war natürlich möglich, daß er es sich nur eingebildet hatte. Vielleicht war es auch das Zimmermädchen. Aber er glaubte beides nicht.
Statt den Motor abzuschalten, legte er sofort den Rückwärtsgang ein und steuerte den Wagen wieder rückwärts aus dem Parkplatz.
Christine fragte: »Was ist los?«
»Besuch«, sagte er.
»Was? Wo?«
Vom hinteren Sitz sagte Joey mit einer Stimme, die den ganzen Schrecken ausdrückte, den er empfand: »Die Hexe.«
Dann begann sich vor ihnen die Tür ihres Apartments zu öffnen.
Wie, zum Teufel, haben sie uns so schnell gefunden? fragte sich Charlie. Um beim Wenden keine Zeit zu vergeuden, ließ er den Wagen
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