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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nach links und rechts abzubiegen, und begann ihre Route bewußt zu wählen, Straße für Straße, zurück zur State Street, dann quer über die Hauptstraße und auf den Parkplatz eines weiteren Shoppingcenters.
    »Wir halten doch nicht etwa hier an?« sagte Christine.
    »Doch.«
    »Aber...«
    »Wir haben sie abgeschüttelt.«
    »Für den Augenblick vielleicht. Aber sie...«
    »Ich muß da etwas überprüfen«, sagte Charlie.
    Er parkte so, daß man ihn von der State Street aus nicht sehen konnte, zwischen zwei größeren Fahrzeugen, einem Campingbus und einem Pickup-Truck.
    Offenbar hatte der zweite weiße Lieferwagen, als er sie hinten gestreift und die Stoßstange abgerissen hatte, auch den Auspuff und vielleicht den Scheinwerfer beschädigt. Beißender Rauch quoll durch den Wagenboden ins Innere. Charlie forderte sie auf, die Scheiben drei oder vier Zentimeter herunterzukurbeln. Er wollte, wenn irgend möglich, den Motor nicht abstellen; er wollte bereit sein, in Sekundenbruchteilen wieder weiterzufahren, aber die Rauchschwaden waren zu dicht, und er mußte schließlich den Motor abschalten.
    Christine öffnete ihren Sitzgurt und drehte sich zu Joey herum.
    »Alles okay, Honey?«
    Der Junge gab keine Antwort.
    Charlie sah sich nach ihm um.
    Joey war in der Ecke zusammengesackt, seine kleinen Hände waren zu Fäusten geballt, er hatte das Kinn eingezo gen. Sein Gesicht war blutleer, seine Lippen zitterten, aber er war zu verängstigt, um zu weinen, sprachlos, vor Angst gelähmt. Auf Christines Drängen blickte er schließlich auf, und seine Augen wirkten gehetzt, vierzig Jahre zu alt für sein junges Gesicht.
    Als Charlie die Augen des Jungen und die gequälte Seele, die sie freilegten, sah, überkamen ihn unendliche Traurig keit und Zorn. Plötzlich war der Drang schier überwältigend, aus dem Wagen zu steigen, zur State Street zu gehen, Grace Spivey zu finden und ihr ein paar Kugeln in den Kopf zu jagen.
    Dieses Miststück. Dieses dumme, verrückte, armselige, haßerfüllte, tobende Miststück!
    Der Hund winselte leise, als ahnte er den Gemütszustand seines Herrchens.
    Der Junge gab ähnliche Laute von sich und sah dann den Hund an, der seinen Kopf in seinen Schoß legte.
    Wie durch Zauberei hatte die Hexe sie gefunden. Der Junge hatte gesagt, daß man sich nicht vor einer Hexe verstekken könne, ganz gleich, was man tat, und jetzt schien es, daß er recht gehabt hatte.
    »Joey«, sagte Christine, »bist du okay? Rede doch, Baby. Bist du okay?«
    Schließlich nickte der Junge. Aber er wollte — oder konnte
    - immer noch nicht sprechen. Sein Nicken war ohne Überzeugung.
    Charlie begriff, wie dem Jungen zumute war. Es war schwer zu glauben, daß alles im Laufe von nur ein paar Minuten so schrecklich schiefgelaufen sein konnte.
    In Christines Augen standen Tränen. Charlie wußte, was sie dachte. Sie hatte Angst, daß Joey innerlich zerbrochen war.
    Und vielleicht war das der Fall.

45
    Endlich ließen die wogenden dunkelgrauen Wolken den angestauten Sturm von der Leine, der sich den ganzen Morgen über zusammengebraut hatte. Regen peitschte den Parkplatz des Shoppingcenters und trommelte auf den zerbeulten Wagen herunter. Blitze zuckten über den düsteren Himmel.
    Gut, dachte Charlie und blickte auf die verschwommen wirkende Welt hinaus.
    Der Sturm — ganz besonders die elektrischen Störungen, die das Gewitter erzeugte — verschaffte ihnen etwas Dekkung. Und sie konnten jede Hilfe brauchen.
    »Es muß hier drinnen sein«, sagte er, öffnete Christines Tasche und kippte ihren Inhalt auf den Sitz.
    »Aber ich kann mir gar nicht vorstellen...« sagte sie.
    »Das ist der einzige Ort, wo sie es versteckt haben können«, beharrte er und wühlte verzweifelt im Inhalt der Tasche herum, suchte nach einem Gegenstand, in dem vielleicht ein winziger Sender versteckt sein könnte. »Das ist das einzige, was aus Los Angeles mitgekommen ist. Wir haben die Koffer und meinen Wagen zurückgelassen — dies ist der einzige Platz, wo er versteckt sein könnte.«
    »Aber niemand hatte Zugang zu meiner Tasche.«
    »Vielleicht hat man es schon vor ein paar Tagen dort versteckt, als Sie noch nicht so argwöhnisch oder so vorsichtig waren, ehe all dieser Wahnsinn anfing«, sagte er, wohlwis send, daß er nach Strohhalmen griff, und bemüht, die Verzweiflung aus seiner Stimme zu verdrängen, was ihm freilich nicht ganz gelang.
    Wenn wir nicht, ohne es zu wissen, einen Sender mit uns herumtragen, dachte er, wie, zum Teufel, konnten

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