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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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blassen, ledernen Händen zu sehen.
    Ein grauer Tag in der Geisterwelt.
    Was bedeutete das? War es gut oder schlecht?
    Grace' Verhalten nach zu schließen, war es schlecht. Sehr schlecht. Die Zeit ging zur Neige. Das war es, was Grace an diesem Morgen gesagt hatte, aber sie hatte keine näheren Erklärungen abgeben wollen. Die Zeit ging zur Neige, und sie hatten die Orientierung verloren, fuhren einer bloßen Ahnung folgend nach Norden.
    Er hatte Angst. Er machte sich immer noch Sorgen, daß es für ihn schrecklich sein würde, jemanden zu töten, daß er damit in sein früheres Wesen zurückglitt, selbst wenn er es für Gott tat. Er war stolz auf sich, daß er den gewalttätigen Impulsen, denen er früher nachgegeben hatte, Widerstand leistete; stolz darauf, wie er angefangen hatte, sich in die menschliche Gemeinschaft einzufügen, etwas zumindest, und er hatte Angst, daß ein Mord zum nächsten führen würde. War es richtig zu töten — selbst wenn es für Gott war? Er wußte, daß das ein schlechter Gedanke war, aber er konnte ihn nicht von sich schütteln. Und manchmal, wenn er Grace ansah, hatte er das beunruhigende Gefühl, daß er in bezug auf sie vielleicht unrecht gehabt hatte, die ganze Zeit, daß sie vielleicht gar nicht eine Abgesandte Gottes war — und das war noch mehr unrechtes Denken. Grace hatte ihm beigebracht, daß es so etwas wie moralische Werte gab, und jetzt konnte er nicht verhindern, daß er diese Werte auf alles anwandte, was er tat.
    Jedenfalls, wenn Grace in bezug auf den Jungen recht hatte — und das hatte sie sicherlich —, dann ging die Zeit zur Neige, und sie hatten keine andere Wahl, als zu fahren und darauf zu warten, daß sie den Kontakt mit der Geisterwelt zurückgewann, und hier und da die Kirche in Anaheim anzurufen, um zu erfahren, ob es irgendwelche Nachrichten gab, die ihnen vielleicht weiterhalfen.
    Barlowe drückte etwas heftiger auf das Gaspedal. Sie fuhren bereits mit über hundert Stundenkilometern, und bei dem Regen war das sicherlich die obere Grenze, selbst auf dieser langen, geraden Fernstraße. Aber sie waren doch auserwählt, oder etwa nicht? Gott wachte über sie, oder nicht? Barlowe beschleunigte, bis die Nadel bei 130 Kilometern zitterte. Die zwei Lieferwagen hinter ihm beschleunigten ebenfalls, hielten das Tempo.

50
    Der Jeep befand sich, wie Madigan das versprochen hatte, in erstklassigem Zustand. Er bereitete ihnen keinerlei Schwierigkeiten, und so erreichten sie Lake Tahoe am Donnerstagnachmittag .
    Christine war müde, aber Joey war etwas munterer geworden. Er zeigte einiges Interesse an der vorüberziehenden Landschaft, und das war gut so. Er wirkte nicht etwa glücklicher, nur wachsamer, und ihr kam in den Sinn, daß er bis zu diesem Tag noch nie Schnee zu Gesicht bekommen hatte, außer in Zeitschriften, im Fernsehen oder im Kino. In Tahoe lag viel Schnee. Die Bäume beugten sich unter seiner Last. Aus dem stählernen Himmel wehten immer wieder frische Flocken herunter, und das Radio verkündete, daß es im Laufe der Nacht zu ausgiebigen Schneefällen kommen würde.
    Der See, der die Grenze der beiden Bundesstaaten bildete, lag teilweise in Kalifornien, teilweise in Nevada. Auf der kalifornischen Seite gab es eine große Zahl von Hotels — einige davon für eine so schöne und relativ teure Erholungsgegend sogar erstaunlich schäbig —, eine Menge Touristengeschäfte und Schnapsläden und Restaurants. Auf der Ne vadaseite gab es einige große Hotels, Casinos, GlücksspielEtablissements so ziemlich jeder Form, aber nicht so viel Glanz und Flitter wie in Las Vegas. Entlang der Nordküste waren die von Menschenhand errichteten Gebäude besser in die Landschaft integriert als im Süden. Zu beiden Seiten der Grenze, sowohl im Norden als auch im Süden, dehnte sich eine Landschaft, die wohl zu dem Schönsten zählte, was die Erde hervorgebracht hatte, und was viele Europäer die >Schweiz Amerikas< genannt hatten: schneebedeckte Gipfel, die selbst an einem wolkigen Tag in eisiger Schönheit strahlten; riesige urtümliche Wälder mit Fichten, Kiefern, Tannen und anderen immergrünen Bäumen; ein See, der in seiner eisfreien Sommerphase der sauberste, klarste und farbenprächtigste der ganzen Welt war, mit irisierenden Blautönen und leuchtendem Grün, ein See, so rein, daß man bis auf eine Tiefe von zwanzig oder dreißig Meter den Grund sehen konnte.
    Sie hielten an einem Supermarkt am Nordufer, einem großen rustikalen Gebäude, dem Lärchen und

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