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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Unterdessen war Henry damit beschäftigt, Klemet-Harrison wieder in funktionsfähigen Zustand zu versetzen, und hatte für den Augenblick die Zentrale der Agentur in seinem eigenen Haus untergebracht. Ab morgen würde sie wieder mit voller Kraft an dem Spivey-Fall arbeiten.
    Sie fuhren zu einer Tankstelle und kleideten sich dort auf der Toilette um, legten die Winterkleidung an, die sie gekauft hatten. Die Berge waren nicht weit entfernt.
    Dann nahmen sie wieder in dem Jeep Platz, und Charlie steuerte nach Osten, auf die Sierras zu, während Christine sich wieder auf den Rücksitz setzte und Joey vorlas, mit ihm redete, sich redlich, aber ohne großen Erfolg darum bemühte, ihn aus seiner verängstigten Isoliertheit herauszuholen.
    Der Regen hörte auf.
    Der Wind verstärkte sich.
    Und nach einer Weile setzte leichtes Schneegestöber ein.

49
    Mutter Grace fuhr in dem Oldsmobile. Acht ihrer Jünger folgten in den zwei weißen Lieferwagen. Sie befanden sich jetzt auf der Interstate 5 im Herzen des kalifornischen Farmlandes, rollten zwischen immensen Getreidefeldern, wo selbst mitten im Winter das Korn wuchs.
    Kyle Barlowe steuerte den Oldsmobile, und er war jetzt besorgt und reizbar, dann wieder gelangweilt und müde, manchmal auch von der langen Fahrt und der regengrauen Landschaft bedrückt.
    Obwohl die Informationsquellen der Kirche — auf verschiedenen Polizeirevieren und andernorts — keine Nachrichten über Joey Scavello und seine Mutter lieferten, hatten sie von Soledad aus nördlichen Kurs eingeschlagen, weil Grace sagte, daß der Junge und seine Beschützer in jene Richtung fuhren. Sie behauptete, in der Nacht eine Vision gehabt zu haben.
    Barlowe war ziemlich sicher, daß sie keine Vision gehabt hatte und nur rätselte. Er kannte sie zu gut, um sich täuschen zu lassen. Wenn sie wirklich eine Vision gehabt hätte, wäre sie euphorisch. Statt dessen war sie mürrisch, stumm, finster. Er vermutete, daß sie ohne Orientierung war, ihnen aber nicht sagen wollte, daß sie keinen Kontakt mit der Geisterwelt hatte.
    Er war beunruhigt. Wenn Grace die Fähigkeit verloren hatte, mit Gott zu reden, wenn sie den Zugang zur anderen Welt verloren hatte und nicht mit den Engeln und den Geistern der Toten kommunizieren konnte, war sie dann vielleicht nicht länger Gottes auserwählter Bote? Bedeutete das, daß ihre Mission Seinen Segen verloren hatte? Oder bedeutete es, daß die Macht des Teufels auf Erden so dramatisch angewachsen war, daß das Böse sich zwischen Grace und Gott stellen konnte? Wenn letzteres zutraf, war das Zwielicht sehr nahe, der Antichrist würde sich bald offenbaren, und eine tausendjährige Herrschaft des Bösen würde beginnen.
    Er sah zu Grace hinüber. Sie blickte starr nach vorne durch den Regen, auf die schnurgerade Straße, war in Ge danken verloren. Sie sah älter aus, als sie letzte Woche ausgesehen hatte. Sie war in wenigen Tagen um zehn Jahre gealtert. Sie wirkte geradezu uralt, und ihre Haut sah leblos spröde und grau aus.
    Ihr Gesicht war nicht das einzig Graue an ihr. Alle ihre Kleider waren ebenfalls grau. Aus Gründen, die Barlowe nicht ganz durchschaute, kleidete sie sich immer in einer einzigen Farbe; er dachte, daß es eine religiöse Bedeutung hätte, irgendwie mit ihren Visionen im Zusammenhang stünde, aber er war nicht sicher. Er war ihre monochromen Kleider gewöhnt, aber dies war das erste Mal, daß er sie je in Grau gesehen hatte. Gelb, blau, feuerrot, apfelrot, blutrot, grün, weiß, purpur, violett, orange, rosa — ja, all die Farben hatte sie getragen, aber immer helle Farben, nie etwas so Düsteres.
    Sie hatte nicht erwartet, sich grau zu kleiden; nachdem sie an diesem Morgen das Hotel verlassen hatten, hatten sie einkaufen gehen müssen, um ihr graue Schuhe, graue Ho sen, eine graue Bluse und einen grauen Pullover zu kaufen, weil sie keine grauen Kleider besaß. Sie war sehr beunruhigt gewesen, beinahe hysterisch, bis sie komplett in Grau gekleidet gewesen war. »Es ist ein grauer Tag in der Geisterwelt«, hatte sie gesagt. »Die Energie ist ganz grau. Ich bin nicht synchronisiert. Ich bin nicht in Einklang, nicht in Berührung. Ich muß in Berührung treten!« Sie hatte auch Schmuck gewollt, weil sie Schmuck sehr gerne mochte, aber es war nicht leicht, graue Ringe und Armreifen und Broschen zu finden. Der meiste Schmuck war bunt. Schließlich hatte sie sich mit einer grauen Perlenkette begnügen müssen. Es war eigenartig, sie ohne einen einzigen Ring an ih ren

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