Todesdämmerung
verschaffen.
Nach hundert Metern bog der Weg zum Rand des Tales ab, verlief jetzt an der Bergflanke entlang und nicht mehr bergauf, bog aber nach weiteren fünfzig Metern wieder nach oben. Die Bäume wurden dicker und größer und buschiger, und an manchen Stellen lag der Weg so tief im Schatten, daß ebensogut bereits die Nacht hätte angebro chen sein können. Schließlich erreichten sie eine weitere Wiese, die breiter war als die, an der sie den Jeep abgestellt hatten, und etwa vierhundert Meter lang.
»Dort ist die Hütte!« sagte Charlie, und die Worte platzten aus ihm mit Wolken kristallisierten Atem heraus.
Christine sah sie nicht.
Er blieb stehen, setzte Joey wieder ab und deutete. »Dort! Ganz hinten, vor den Bäumen. Daneben ist eine Windmühle.«
Sie sah zuerst die Windmühle, weil ihr Auge die Bewegung wahrnahm. Es war eine hohe, skelettartige Mühle, an der nichts Anheimelndes war; sie wirkte eher wie ein Ölbohrturm als etwas, zu dem sich ein Holländer hingezogen gefühlt hätte, sehr zweckmäßig und irgendwie häßlich.
Sowohl die Hütte als auch die Windmühle wurden fast von den Bäumen dahinter verschluckt, wenn sie auch vermutete, daß sie früher am Tag besser sichtbar gewesen wären.
»Sie haben mir gar nicht gesagt, daß da auch eine Windmühle ist«, meinte sie. »Heißt das, es gibt elektrische Beleuchtung?«
»Aber sicher.« Seine Wangen, die Nase und das Kinn wa ren von der Kälte rosafarben, und er schniefte, weil ihm die Nase lief. »Und genügend heißes Wasser.«
»Elektroheizung? «
»Nee. Es gibt Grenzen für das, was eine Windmühle liefern kann, selbst an einem so windigen Ort wie dem hier.«
Der Druckknopf an Joeys Hals hatte sich gelöst, und sein Schal hing heraus. Christine beugte sich vor und brachte das in Ordnung. Sein Gesicht war eher rot als rosa, und seine Augen tränten von der Kälte.
»Wir sind beinahe da, Captain.«
Er nickte.
Nachdem sie etwas verschnauft hatten, setzten sie den Marsch hügelaufwärts fort, und Chewbacca sprang vor ih nen her, als hätte er begriffen, daß die Hütte ihr Endziel war.
Sie war aus Rotholz gebaut, das in dem unwirtlichen Wetter einen silbernen Glanz erhalten hatte. Obwohl das mit Zedernschindeln gedeckte Dach steil geneigt war, hing trotzdem etwas Schnee daran. Die Fenster waren von Frost überzogen, und der Schnee war über die Eingangsstufen auf die Veranda gekrochen.
Sie zogen die Schneeschuhe und die Handschuhe aus.
Charlie holte einen Schlüssel aus einem geschickt gewählten Versteck in einem der Vordachpfosten. Das Eis sprang von der Tür, als er sie aufzog, und die gefrorenen Angeln ächzten kurz.
Sie gingen hinein, und Christine war überrascht, wie gemütlich die Hütte war. Das Untergeschoß bestand aus einem riesigen Raum mit einer Küche am anderen Ende, das Mobiliar aus einem langen Eßtisch aus Fichtenholz und einem polierten Eichenboden, ein paar geknüpften Teppichen, behaglichen dunkelgrünen Verhängen im Schottenkaromuster, in dem das Grün der Sofa- und Sesselbezüge dominierte, und einem mächtigen offenen Kamin aus grobbehauenen Steinen, der fast so groß wie eine Besenkammer war. Das Untergeschoß war zur Hälfte bis zur Decke offen, während die andere Hälfte eine Galerie einnahm. Oben führten drei Türen zu drei weiteren Räumen. »Zwei Schlafzimmer und ein Bad«, sagte Charlie. Das Ganze wirkte rustikal und doch recht zivilisiert.
Zwischen der Eingangstür und dem Eichenboden des Wohnzimmers war ein Teil der Bodenfläche mit Fliesen gekachelt; dort entledigten sie sich jetzt ihrer schneeverkrusteten Stiefel. Dann inspizierten sie die Hütte. Die Möbel waren etwas staubig, und ein stickiger Geruch hing in der Luft. Es gab keine Elektrizität, weil die Schalter im Sicherungskasten umgelegt waren, und der befand sich draußen im Batterieraum unter der Windmühle. Aber Charlie sagte, er würde in ein paar Minuten hinausgehen und das in Ordnung bringen. Neben jedem der drei offenen Kamine — dem großen im Wohnzimmer und je einem kleineren in jedem Schlafzimmer — lagen reichlich gespaltenes Holz und Späne, mit denen Charlie drei Feuer entfachte.
»Zum Glück ist niemand eingebrochen und hat Unord nung geschaffen«, sagte er.
»Ist das ein Problem?« erkundigte sich Christine.
»Eigentlich nicht. In den wärmeren Monaten, wenn die Straße geöffnet ist, ist fast immer jemand hier. Wenn die Straße zugeschneit ist, käme wohl kaum ein Einbrecher auf die Idee, daß es so tief im Wald noch
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