Todesdämmerung
Einzelheiten anzugeben, weil sie nicht wollte, daß Joey erfuhr, daß Grace Spivey eine von den beiden war.
Chewbacca hatte sich erhoben und knurrte tief in der Kehle. Christine wunderte sich, daß der Hund aufstehen konnte, aber er war bei weitem noch nicht bei Kräften; er wirkte krank und wackelig. Er würde kaum kämpfen oder Joey schützen können.
Sie entdeckte das Messer aus ihrem Eßbesteck, das am anderen Ende der Höhle zwischen Joey und Charlie lag. Sie bat Joey, es ihr zu bringen, aber der starrte sie nur reglos an und war durch nichts zu bewegen, ihr zu helfen.
»Keine Munition mehr?« fragte Charlie.
»Nein.«
Von draußen kam wieder der Schrei: »Gib uns den Jungen!«
Charlie versuchte sich auf das Messer zuzuschieben, aber er war zu schwach und zu schmerzgepeinigt, um es zu schaffen. Die Anstrengung löste in ihm zuerst ein trockenes Hüsteln und dann einen würgenden Hustenanfall aus, und am Ende trat ihm blutiger Speichel auf die Lippen.
Christine hatte das schreckliche Bild vor sich, daß ihnen die Zeit verrann, so wie Sand, der aus einem Trichter fließt.
»Gib uns den Antichrist!«
Obwohl Christine sich nicht schnell bewegen konnte, arbeitete sie sich langsam zum anderen Ende der Höhle hin über, immer an der Wand entlang und auf diese gestützt, wobei sie auf dem unverletzten Bein humpelte. Falls sie an das Messer herankam und dann zu diesem Ende der Höhle zurückkehrte, konnte sie auf dieser Seite des Ganges hinter der Biegung warten. Wenn sie dann hereinkamen, würde sie es vielleicht schaffen, einen von ihnen niederzustechen.
Schließlich war sie bei den Vorräten, beugte sich vor, hob das Messer auf und erkannte erst jetzt, wie kurz die Klinge war. Sie drehte es in der Hand und versuchte sich selbst ein zureden, daß es genau die Waffe war, die sie brauchte. Aber das Messer würde einen Parka und die Kleider darunter durchdringen müssen, ehe es Schaden anrichtete, und dafür war es nicht lang genug. Wenn sie die Gelegenheit bekam, auf ihre Gesichter einzustechen... Aber sie würden Schußwaffen haben, und so war ihre Hoffnung nicht sehr groß, sie erfolgreich angreifen zu können.
Verdammt.
Sie warf das Messer angewidert weg.
»Feuer«, sagte Charlie.
Zuerst begriff sie nicht.
Er griff mit einer Hand an den Mund und wischte sich den blutigen Speichel weg, den er immer noch heraufwürgte. »Feuer. Das ist... eine gute... Waffe.«
Natürlich. Feuer. Besser als ein Messer mit einer kleinen Stummelklinge.
Plötzlich dachte sie an etwas, das im Verein mit einem brennenden Holz fast ebenso wirksam wie eine Pistole sein würde.
Ihre Schenkelwunde hatte inzwischen im Rhythmus mit ihrem jagenden Puls zu bluten begonnen, aber sie biß die Zähne zusammen und kauerte sich neben dem Vorratshaufen nieder. Sich zu bücken, war nicht leicht, ein kompliziertes, schmerzhaftes Manöver, und sie hatte Angst davor, sich wieder aufzurichten, obwohl sie sich an der Wand abstützten konnte. Sie suchte in den Sachen herum, die sie gestern aus dem Rucksack gekippt hatte, und stieß nach ein paar Sekunden auf den Behälter mit Feuerzeugflüssigkeit, den sie gekauft hatten, falls ihnen das Entfachen eines Feuers in der Hütte Schwierigkeiten bereitet hätte. Sie verstaute die Dose in ihrer rechten Hosentasche.
Als sie sich dann aufrichtete, bäumte sich der Steinboden unter ihr auf. Sie klammerte sich an der Wand fest und wartete, bis der Schwindelanfall nachließ.
Dann wandte sie sich dem Feuer zu, schnappte sich einen brennenden Ast und stellte befriedigt fest, daß er nicht erlosch, als sie ihn aus dem Feuer zog, sondern weiterbrannte wie eine Fackel.
Joey regte sich nicht von der Stelle und sagte auch nichts, beobachtete sie aber interessiert. Er verließ sich auf sie. Sein Leben lag jetzt ganz und gar in ihrer Hand.
Sie hatte eine ganze Weile keine Rufe mehr von draußen gehört. Diese Stille war beunruhigend. Möglicherweise bedeutete sie, daß Spivey und der Riese bereits im Tunnel waren...
Sie arbeitete sich wieder um die Kaverne herum, an Charlie vorbei, auf den Tummel zu, durch den jetzt jeden Augenblick die Zwielichter kommen konnten, machte aber einen Umweg, weil das in ihrem jetzigen Zustand das Sicherste war. Die wertvollen Sekunden, die sie dabei vergeudete, waren ihr qualvoll bewußt, aber sie konnte es nicht riskie ren, quer durch den Raum zu gehen, weil sie dabei möglicherweise stürzen und die Besinnung verlieren oder ihre Fakkel auslöschen würde. Sie hielt den
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