Todesdämmerung
Rankins Haus an sich gedrückt hatte, kurz bevor er nach Hause gefahren war. Der Wunsch, sie wieder zu umarmen, war fast übermächtig, aber vor seinen Männern mußte er sich damit begnügen, Jo ey abzusetzen, mit beiden Händen ihre Hand zu ergreifen und zu sagen: »Gott sei Dank fehlt Ihnen nichts.«
Ihre Unterlippe zitterte. Einen Augenblick lang sah sie aus, als würde sie sich an ihn lehnen und weinen wollen. Aber sie behielt sich unter Kontrolle und meinte: »Ich sage mir immer wieder, daß es nur ein Alptraum ist... aber ich kann nicht aufwachen.«
»Wir sollten Sie jetzt hier wegschaffen, aus Laguna heraus«, sagte Max.
»Der Meinung bin ich auch«, pflichtete Charlie bei. »Ich werde das mit meinem Wagen erledigen. Wenn wir weg sind, rufen Sie beide das Büro an, sagen Sherry, wo Sie sind, und lassen sich einen Wagen schicken. Fahren Sie zu Miriams Haus zurück...«
»Davon ist nichts übrig«, meinte Sandy.
»Das war vielleicht eine Explosion«, bestätigte Max. »Dieser Lieferwagen muß bis zum Dach voll Sprengstoff gewesen sein.«
»Mag schon sein, daß von dem Haus nichts übrig ist«, sagte Charlie, »aber die Bullen und die Feuerwehr sind noch dort. Sherry hat sich bei der Polizei von Laguna Beach erkundigt, und ich habe auf der Fahrt hierher mit ihr telefoniert. Melden Sie sich bei den Bullen, seien Sie ihnen behilflich und finden Sie heraus, was die bisher festgestellt haben.«
»Haben Sie den Burschen gefunden, den ich angeschossen habe?« fragte Max.
»Nee«, machte Charlie. »Er ist entkommen.«
»Dann muß er gekrochen sein. Ich hab' ihn am Bein erwischt.«
»Dann ist er gekrochen«, sagte Charlie. »Oder es war ein dritter Mann dabei, der ihm bei der Flucht behilflich war.«
»Ein dritter?« fragte Sandy.
»Mhm«, machte Charlie. »Sherry sagt, der zweite sei im Wagen sitzen geblieben.«
»Jesus.«
»Das sind also wirklich Kamikazes«, sagte Christine erschüttert.
»Von ihm kann nichts übriggeblieben sein, bloß ein paar kleine Stückchen«, sagte Max und hätte noch etwas hinzu gefügt, wenn Charlie ihn nicht zum Schweigen gebracht hätte, indem er eine vielsagende Kopfbewegung in Richtung auf den Jungen machte, der ihnen mit offenem Mund zuhörte.
Eine Weile herrschte Stille, und jeder hing seinen Gedanken über das schreckliche Ende des Fahrers nach. Der Re gen auf dem Dach klang wie die Trommeln in einem Leichenzug.
Dann schaltete der Mechaniker ein Gerät ein, und alle zuckten bei dem plötzlichen Lärm zusammen.
Als der Mechaniker wieder abschaltete, sah Charlie Christine an und meinte: »Okay, verschwinden wir hier.«
Max und Sandy gingen als erste hinaus und sahen sich argwöhnisch um, musterten alles, was sich bewegte. Dann stiegen Christine und Joey mit Chewbacca in den grauen Mercedes, der vor der Tankstelle parkte. Christine nahm vorne bei Charlie Platz, während Joey es sich mit Chewbacca hinten bequem machte.
Charlie saß am Steuer und hatte seine Scheibe heruntergelassen. Er sagte zu Sandy und Max: »Sie haben verdammt gute Arbeit geleistet.«
»Fast hatten wir sie verloren«, sagte Sandy und wies das Lob von sich.
»Worauf es ankommt, ist, daß es eben nicht dazu gekommen ist«, sagte Charlie. »Und Sie sind auch unversehrt.«
Wenn so kurz nach dem Tod von Pete und Frank noch einer von seinen Männern ums Leben gekommen wäre, hätte er nicht gewußt, wie er damit fertig geworden wäre. Von diesem Augenblick an würde nur noch er alleine wissen, wo Christine und Joey waren. Seine Männer würden den Fall bearbeiten, würden versuchen, die Kirche des Zwielichts mit den Morden und Mordversuchen in Verbindung zu bringen, aber nur er würde wissen, wo sich ihre Klienten aufhielten, bis es gelungen war, Grace Spivey irgendwie zu stoppen. Auf die Weise würden die Spione der alten Frau Christine und Joey nicht finden können, und Charlie würde sich keine Sorgen zu machen brauchen, einen weiteren Mann zu verlieren. Sein Leben war das einzige, das er ris kieren würde.
Er schloß sein Fenster, betätigte die Zentralverriegelung und verließ die Tankstelle.
Eigentlich war Laguna eine saubere, warme, nette, lebendige Stadt am Strand, aber heute wirkte sie düster, regenund nebelverhangen, schlammig. Charlie mußte an einen Friedhof denken, und er hatte sogar den Eindruck, als würde sich diese Atmosphäre verdichten, ihn einhüllen, so wie wenn sich ein Sargdeckel senkt. Erst als sie die Stadt verlas sen hatten und auf dem Pacific Coast Highway nach Norden
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