Todesdämmerung
rollten, ging sein Atem wieder leichter.
Christine sah sich nach Joey um, der ruhig auf dem Rücksitz saß. Brandy, nein, Chewbacca lag auf dem Sitz und hatte seinen großen Kopf auf den Schoß des Jungen gekuschelt. Joey streichelte den Hund mechanisch und starrte aufs Meer hin aus, das vor einer dichten Mauer aus aschgrauem Nebel, die aus einem Kilometer Entfernung küstenwärts vorrückte, unruhig wogte. Sein Gesicht war beinahe ausdruckslos, fast leer, aber nicht ganz. Da war ein ganz besonderer subtiler Ausdruck, den sie noch nie an ihm wahrgenommen hatte und den sie auch nicht deuten konnte. Was dachte, fühlte er? Sie hatte ihn schon zweimal gefragt, ob bei ihm alles in Ordnung wäre, und er hatte das bejaht. Sie wollte ihn nicht bedrängen, war aber beunruhigt.
Sie machte sich nicht nur um seine körperliche Sicherheit Sorgen, obwohl auch das eine Angst war, die an ihr nagte. Auch sein geistiger Zustand beunruhigte sie. Wenn er Grace Spiveys wahnsinnigen Kreuzzug gegen ihn überlebte, was für Narben würde sein Gefühlsleben dann für den Rest seines Lebens davontragen? Daß er all diese Erlebnisse ohne jede Folgen überstand, war unmöglich. Es würde psychologische Konsequenzen geben, vielleicht sogar nachhaltigen Schaden.
Er fuhr jetzt fort, den Hund am Kopf zu kraulen, aber auf eine hypnotisch-automatische Art, als wäre ihm gar nicht ganz bewußt, daß das Tier bei ihm war, und dabei starrte er auf das Meer vor dem Fenster hinaus.
Charlie sagte: »Die Polizei will, daß ich Sie aufs Revier bringe, damit man Ihnen weitere Fragen stellen kann.«
»Die soll der Teufel holen«, sagte Christine.
»Die sind jetzt eher geneigt, uns zu helfen.«
»Um diese Aufmerksamkeit zu erwecken, mußten eine Menge Leute sterben.«
»Sie sollten sie nicht ganz abschreiben. Sicher, wir werden uns besser um Sie kümmern können als die, und vielleicht stoßen wir auch auf etwas, das denen dabei hilft, Grace Spivey festzunageln. Aber jetzt ist immerhin eine Mordermittlung im Gange, und deshalb werden die den größten Teil der Arbeit erledigen, die für die Anzeigen und Verhaftungen erforderlich ist. Und am Ende wird die Polizei die Spivey stoppen.«
»Ich vertraue den Bullen nicht«, sagte sie ausdruckslos. »Die Spivey hat wahrscheinlich Leute bei denen eingeschmuggelt.«
»Sie kann nicht jede Polizeistation im Land infiltriert haben, so viele Anhänger hat sie nicht.«
»Nicht jede Station«, sagte Christine. »Bloß die in den Ortschaften, wo sie Ge ld sammelt und Leute bekehrt.«
»Die Polizei von Laguna Beach will natürlich über das, was heute morgen geschehen ist, ebenfalls mit Ihnen reden.«
»Die soll auch der Teufel holen. Selbst wenn keiner von denen der Kirche des Zwielichts angehört, könnte die Spivey erwarten, daß ich im Polizeihauptquartier erscheine; sie könnte dort Leute aufgestellt haben, die nur darauf warten, uns in dem Augenblick, wo wir den Wagen verlassen, nie derzumachen.«
Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke: »Sie bringen uns doch nicht auf ein Polizeirevier, oder?«
»Nein«, sagte er. »Ich habe nur gesagt, daß man Sie spre chen will. Ich habe nicht gesagt, daß ich das für eine gute Idee halte.«
Sie sackte in ihren Sitz zurück. »Gibt es denn gute Ideen?«
»Sie dürfen sich nicht unterkriegen lassen.«
»Ich meine, was werden wir jetzt tun? Wir haben keine Kleider, nichts außer dem, was wir am Leibe tragen, meiner Geldbörse und meinen Kreditkarten. Das ist nicht viel. Wir haben keine Bleibe. Wir dürfen es nicht riskieren, zu unseren Freunden zu gehen oder irgendwohin, wo man uns kennt. Diese Irren haben es geschafft, daß wir auf der Flucht sind, wie ein paar wilde Tiere.«
»Ganz so schlimm ist es nicht«, sagte er. »Tiere auf der Flucht haben immerhin nicht den Luxus eines Mercedes Benz zur Verfügung.«
Sie war ihm für den Versuch dankbar, sie zum Lächeln zu bringen, brachte aber nicht die Willenskraft auf, es auch zu tun.
Das ständige Klatschen der Scheibenwischer klang wie ein fremdartiger, unmenschlicher Herzschlag.
»Wir werden nach Los Angeles fahren, denke ich«, sagte Charlie. »Die Kirche des Zwielichts ist zwar dort auch tätig, aber der größte Teil ihrer Aktivitäten konzentriert sich auf die Countys von Orange und San Diego. In L. A. sind we niger von Grace' Leuten unterwegs, also ist auch die Gefahr geringer, daß jemand uns zufällig entdeckt. Genauer gesagt besteht dafür fast überhaupt keine Chance.«
»Die sind überall«,
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