Todesdrang: Thriller (German Edition)
gehabt haben. Ganz zu schweigen von dem, was deiner Familie zugestoßen ist. Was wäre ich für ein Freund, wenn ich dir jetzt nicht helfen würde? Also fühl dich hier ganz wie zu Hause.«
Dirk betrachtete die beiden lange. Vor ihm saßen vermutlich zwei der selbstlosesten Menschen, die er kannte. Schlagartig spürte er, wie die Bestie in ihm an Macht verlor. All die dunklen Gedanken, die ihn in den letzten Tagen heimgesucht hatten, schienen sich durch die Verbundenheit mit diesen beiden Menschen zu erhellen. Sie gaben ihm plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, und dadurch auch gleichzeitig Hoffnung. Aus diesem Grund hatten sie es verdient zu erfahren, was geschehen war und in welche Schwierigkeiten sie ihre Hilfe bringen konnte.
Es dauerte fast zwanzig Minuten, bis er ihnen alles erzählt hatte. Angefangen bei dem Werbebanner im Internet und dem Besuch des Obdachlosen, bis zu dem Punkt, an dem er den Kopf seines Kollegen im Wald verbrannt hatte. Rosi und Niklas saßen stillschweigend da und hörten fassungslos zu.
»Dann habe ich es gerade noch bis zu euch geschafft«, schloss Dirk seinen Bericht ab.
Einen Augenblick lang herrschte bestürztes Schweigen. Niklas schluckte, doch seine Kehle war so ausgetrocknet, dass es ihm schwerfiel. »Hol mich der Teufel«, entfuhr es ihm heiser. »Ich habe Peter Brunner noch vor einer Woche an unserem Stammtisch getroffen. Wir haben geredet und gelacht. Er war wie immer. Und nun das! Was ist bloß aus der Welt geworden?« Er wollte nach dem Flachmann auf dem Tisch greifen, als er erstaunt feststellte, dass seine Frau bereits daraus trank.
»Sieh mich nicht so an«, keuchte sie. »Den hab ich jetzt gebraucht. All die toten Menschen. Und deine arme Frau im Krankenhaus. Warum tut jemand so was?«
Dirk seufzte. »Keine Ahnung. Es gibt wohl keinen rationalen Grund dafür. Ich weiß nur, dass ich irgendwie an alldem schuld bin. Und jetzt habe ich euch auch noch mit da reingezogen.«
»Nun hör aber auf«, sagte Niklas. »Wo hättest du denn sonst hingehen sollen?«
»Ich hätte von Anfang an zur Polizei gehen sollen. Vielleicht wären Kevin und die anderen dann noch am Leben.«
Niklas sah ihm streng in die Augen. »Konntest du damit rechnen, dass es so kommen würde?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann hast du dir auch nichts vorzuwerfen. So einfach ist das! Und nun hör auf zu jammern und sag mir lieber, wie du diesen Bastard an den Eiern kriegen willst.«
Im ersten Moment war Dirk sprachlos. Zwar kannte er Niklas als einen Mann, der kein Blatt vor den Mund nahm und streng nach seiner Überzeugung handelte, dennoch traf ihn seine Offenheit wie ein Stromschlag.
Unsicher erwiderte Dirk seinen entschlossenen Blick. »Wie meinst du das?«
Niklas wandte sich seiner Frau zu. »Schatz, ich denke, es wäre jetzt an der Zeit für eine starke Tasse Kaffee.«
Rosi sah ihn unvermittelt an. »Verstehe«, zischte sie. »Die Herren wollen unter sich sein. Na, meinetwegen.« Sie stand auf und sammelte die leeren Teller ein. »Ich für meinen Teil habe eh genug gehört. Ich will gar nicht wissen, was ihr beide ausheckt.« Sie sah besorgt auf Dirk herab. »Aber lass dir von diesem Macho-Fossil hier bloß keinen Blödsinn einreden, hörst du?«
Niklas seufzte. »Kannst du nicht ein Mal tun, worum ich dich bitte, ohne einen Kommentar abzugeben?«
»Schon gut, ich gehe ja, alter Griesgram«, warf sie noch hinterher und verschwand mit den Tellern in der Küche.
Niklas schüttelte den Kopf. »Wie halte ich das nur jeden Tag aus?«
»Weil du sie liebst«, erwiderte Dirk.
»Ja, zur Hölle, das tue ich. Auch wenn wir auf dich wahrscheinlich wie ein altes, zeterndes Ehepaar wirken müssen, das nicht mehr viel gemeinsam hat. Aber lass dich davon nicht täuschen«, meinte er und strich sich über den fast kahlen Kopf. »Ich weiß nicht, was ich täte, wenn sie plötzlich nicht mehr da wäre.« Er stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab und beugte sich zu Dirk vor. »Und genau aus diesem Grund würde ich jedem, der ihr etwas antun will, die Hölle heißmachen. Und jetzt erzähl mir nicht, dass es bei dir und deiner Familie nicht dasselbe ist, denn du hast das gestern sicher nicht alles auf dich genommen, weil du keine andere Wahl hattest. Du wolltest diesen Kerl fertigmachen.«
Dirk wich seinem Blick aus und starrte vor sich auf die Tischplatte. Schließlich nickte er zustimmend.
Niklas atmete einmal tief ein und sah Dirk in die Augen. »Jeder andere hätte in deiner
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