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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis
Autoren: Bernward Schneider
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zu Hause bleibt, denn in New York habe ich in Geschäften zu tun, sie hätte sich doch nur gelangweilt.«
    »New York ist voller Sehenswürdigkeiten«, erwiderte Gladys. »Mir würde es überhaupt nichts ausmachen, sie mir allein anzuschauen.«
    »Sehen Sie!«, sagte Garfield. »Meine Frau hätte die Stunden ohne mich im Hotel verbracht.«
    »Was haben Sie für einen Beruf?«
    »Ich handle mit Immobilien«, sagte Garfield.
    »Auch in Amerika?«
    Er lächelte stolz. »Ja, mein Unternehmen ist im Begriff, sich zu einer transatlantischen Gesellschaft zu wandeln«, antwortete er.
    »Ah, wie interessant«, sagte Gladys gedehnt. »So verfügen Sie sicher über ausgezeichnete Verbindungen?« Sie hatte es mit einem leisen Anflug von Spott geäußert, der ihrem Gegenüber entging.
    »Ohne Verbindungen ist man in New York aufgeschmissen«, nickte Garfield, immer noch lächelnd. »Aber sprechen wir nicht von meinen Geschäften. Wie gefällt Ihnen das Schiff?«
    »Ich komme mir vor wie in einem Palast, der von England nach Amerika fährt.«
    »Das trifft es«, stimmte Garfield ihr zu. »Und das Beste ist, dass der Palast nur ein paar Tage dafür braucht. Die Technik macht gewaltige Fortschritte. Es ist fantastisch. Ich habe gehört, dass wir schon am Dienstagnachmittag in New York eintreffen könnten.«
    »Warum sollten wir so früh schon ankommen?«, fragte Gladys. »Fährt denn das Schiff so schnell?«
    »Wir sind auf der Jungfernfahrt«, sagte Garfield. »Da muss ein neues Schiff einen Rekord aufstellen. Die Titanic wird in Zukunft bei jeder Fahrt ausgebucht sein, wenn die Leute erfahren, dass sie die Strecke bei ruhiger See einen Tag schneller zurücklegt als die anderen Ozeanliner. Das ist sehr wichtig für das Geschäft der White Star! Die See ist so ruhig, dass ein Rekord gelingen kann!«
    »Kommen wir nicht durch ein Eisfeld?«
    »Eisfeld? Ach, Sie meinen Eisberge?«
    Garfield machte eine abwinkende Handbewegung. »Eisberge stellen für ein Schiff wie die Titanic kein Problem dar. Natürlich muss man aufpassen, aber wenn ein Kapitän jedes Risiko scheut, hat er seinen Beruf verfehlt. Zum Glück steht nicht zu befürchten, dass Kapitän Smith sich ängstlich verhält.«
    In diesem Moment passierte ein Mann in den Vierzigern und mit grau melierten Schläfen in Begleitung einer deutlich jüngeren Frau mit schwarzbraunen Haaren ihren Tisch, und Garfield, dem die beiden zulächelten, bevor ihre Blicke mit freundlichem Wohlgefallen Gladys streiften, winkte ihnen mit einer grüßenden Handbewegung zu, die der Mann erwiderte.
    »Kennen Sie den Herrn und die junge Dame, die eben vorübergingen?«, fragte Garfield, als das Paar außer Hörweite war.
    Gladys hob fragend die Augen. »Ich glaube, ich habe sie bereits im Speisesaal gesehen. Sollte ich sie denn kennen?«
    »Der Mann ist John Jacob Astor, einer der reichsten Männer Amerikas, die Dame ist seine frisch angetraute Gattin«, sagte Garfield und beugte sich ein Stück vor. »Sie ist 19 – er ist 47«, sagte er in vertraulichem Tonfall. »Er konnte es kaum erwarten. Gleich nach der Scheidung von seiner ersten Frau ist er mit dem jungen Ding nach Europa. Jetzt fahren sie nach New York zurück, als ob nichts gewesen wäre.«
    Es klang, als wäre er ein wenig neidisch auf Astor.
    »Sie machen ganz und gar keinen unglücklichen Eindruck«, sagte Gladys.
    »Sie haben eine ausgedehnte Hochzeitsreise hinter sich«, lächelte Garfield. »Den Winter haben sie angeblich in Ägypten verbracht. Die junge Madeleine soll in anderen Umständen sein.«
    »Oh, wie schön für die beiden.«
    Die Astors hatten an einem der größeren Tische Platz genommen, an dem man sie, den freundlichen Begrüßungen nach zu urteilen, die von dort herüberdrangen, bereits erwartet hatte.
    »Haben Sie selbst auch Kinder?«, fragte Garfield.
    »Nein, leider hatte ich das Vergnügen noch nicht.«
    Garfield lachte. »Ja, ein Vergnügen ist es, aber nur ganz am Anfang.«
    Gladys verzog keine Miene, konnte aber nicht verhindern, dass sie für einen Moment an das Vergnügen denken musste, das mit der Zeugung von Kindern verbunden war, und sie spürte plötzlich, wie sehr sie sich danach sehnte.
    »Eine Frau wie Sie sollte auf jeden Fall Kinder bekommen«, erklärte Garfield. »Es wäre schade, wenn Ihre vortrefflichen Anlagen nicht an die nächste Generation weitergegeben würden.«
    Garfield war ein ganz passabel aussehender Mann, überlegte sie, aber bei der Vorstellung, sie würde sich mit ihm auf ein amouröses
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