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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis
Autoren: Bernward Schneider
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zu, bevor die beiden ihres Weges gingen, und noch im Weggehen hörte sie Madeleine und ihren Mann leise miteinander lachen.
    Es war etwas an der vertrauten Art, wie die Astors miteinander umgingen, das Gladys einen Stich versetzte und sie daran erinnerte, dass sie nun allein war. Sie schlenderte weiter in Richtung Heck und wurde aus ihren traurigen wie sehnsüchtigen Gedanken gerissen, als sie den Reporter Raubold entdeckte.
    »Wie steht es heute Abend mit einem Foto oder einem Gläschen Wein?«, fragte er jovial.
    »Ich wähle das Gläschen Wein«, sagte Gladys.
    »Wie ich sah, sprachen Sie mit Mr. und Mrs. Astor«, sagte Raubold. »Was für einen Eindruck haben Sie von ihnen?«
    »Die beiden scheinen sehr ineinander verliebt zu sein. Und Madeleine ist sehr hübsch.«
    »Nicht so schön wie Sie, Mrs. Appleton, aber hübsch ist sie. Man munkelt, sie sei schwanger.«
    »Das hörte ich auch«, sagte Gladys. »Dennoch ist sie sehr unternehmungslustig. Das lässt auf ein sonniges Naturell schließen.«
    Sie setzten sich in einem der Rauchsalons an einen Tisch, und Raubold bestellte zwei Gläser Wein, die der Ober an ihren Tisch brachte.
    »Womit hat Astor sein Geld gemacht?«, fragte Gladys. »Wissen Sie das?«
    »Grundstücksgeschäfte«, erwiderte der Reporter. »Astor hat sozusagen New York gebaut. Richtiger gesagt, seine Vorfahren haben es getan. Er ist nur der Erbe. Er selbst soll kürzlich in das Geschäft mit Vergnügungslokalen eingestiegen sein.«
    »Vergnügungslokale?« Gladys stutzte und trank rasch einen Schluck Wein. Sie musste daran denken, dass Vergnügungslokale auch das Geschäft von Phil Ryland, ihrem ermordeten Geliebten, gewesen waren. Außerdem hatte sie ebenfalls in Vergnügungslokalen gearbeitet und könnte es in New York wieder tun – doch es war etwas anderes, das ihr Interesse an dem Thema geweckt hatte.
    »Wie kommt ein Mann wie Astor zu diesem Geschäft?«
    »Astor fand für viele seiner Säle keine Mieter mehr«, berichtete Raubold. »Deshalb hat er an Barbesitzer vermietet, zuerst widerwillig, dann recht gern, denn bei diesen Leuten ließ sich eine höhere Miete durchsetzen. Hohe und niedrige Rendite ist für Leute wie Astor dasselbe, was für andere gut und böse ist. Ich habe als Zeitungsreporter darüber recherchiert.«
    »Also ist er auch in diesem Geschäft erfolgreich?«
    »Astor sieht es etwas anders. Er ärgert sich über seine Mieter, eine kleine Anzahl zwielichtiger Millionäre, die eine Aktiengesellschaft gegründet haben und New York mit zahlreichen, übel beleumdeten Etablissements beglücken. In den Revuen mit Hunderten leicht bekleideter Mädchen drängen sich die Besucher. So etwas hat Amerika noch nicht erlebt. Die Umsätze der Betreiber dieser Lokale sind in schwindelerregende Höhen gestiegen. Astor wurde krank vor Wut. Seine Mieter machten Gewinne, und er bekam nur die kümmerlichen Mieten. Das brachte ihn auf den Gedanken, selbst in das Vergnügungsgeschäft einzusteigen.«
    Gladys fragte sich, ob sie den Namen Astor wohl schon einmal gehört hatte. Sie erinnerte sich an eine Bemerkung Phils, die von ihm geplante Reise auf der Titanic habe auch mit seinen Geschäften zu tun. Er hatte es nur beiläufig erwähnt, aber doch so deutlich, dass ihr der Verdacht gekommen war, er nehme an der Jungfernfahrt der Titanic weniger um des Vergnügens als um seiner Geschäfte willen teil, und plötzlich war sie sich ganz sicher, dass Phil bei dieser Gelegenheit ihr auch von Astor erzählt hatte, als einem Mann nämlich, dem halb New York gehörte.
    »Er macht also seinen Mietern Konkurrenz?«
    »Wenn Sie so wollen, ja! Man sagt, er sei dabei, sein Geschäft auszuweiten. Das Vermieten von Immobilien ist nur noch ein Teilbereich.«
    Warum interessierten sich die Astors wohl für sie, überlegte Gladys. Nur wegen ihrer Schönheit? Oder gab es dafür einen anderen Grund?
    »Hat Astor Helfer?«, fragte Gladys. »Gibt es Millionäre, die ihn unterstützen – so wie bei seiner Konkurrenz?«
    »Geld von anderen Leuten hat Astor sicher nicht nötig«, meinte Raubold. »Aber er kann natürlich nicht alles allein machen. Strohmänner braucht er ganz gewiss.«
    Gladys musste daran denken, dass sie bemerkenswert wenig über Phil Ryland wusste, weder über seine Person und noch weniger über seine Geschäfte. Sie war nur ein paar Monate seine Geliebte gewesen, aber der eigentliche Grund für ihre Unwissenheit war der, dass sie als Freundin eines Mannes aus solchen Kreisen gut daran tat, nicht zu
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