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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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betrieb.
    Sein Sohn reagierte nicht sogleich, als hätte ihn die Frage seines Vaters überrascht.
    »Du meinst, es wäre ein gutes Geschäft, Vater?«, fragte er dann, als fast eine Minute in Stille verstrichen war.
    »Ja, mein Sohn, die Zukunft liegt im Meer«, kam es zurück, und die Stimme hörte sich an, als käme sie aus weiter Ferne und der Geist von Astors Vater hätte sich schon wieder auf den Heimweg gemacht.
    Alles wartete eine Weile in gespanntem Schweigen, ob eine weitere Bemerkung folgen würde, aber der Geist des alten Vaters blieb nun still.
    Nach einer Weile hörte Gladys neben sich ein Geräusch, und beim Blick zur Seite gewahrte sie, dass Victoria sich neuerlich verkrampfte, als ob wieder einer der Geister, die sich in der Kabine tummelten, um eine Äußerung Rang.
    Ein oder zwei Minuten verstrichen, bevor Victoria so etwas wie ein lautes Stöhnen vernehmen ließ, als hätte ein weiterer Geist sie heimgesucht, und Gladys wäre fast vom Stuhl gefallen, als Victoria plötzlich schrie:
    »Gladys, Gladys!«
    Gladys fuhr zusammen und teilte nun ihrerseits ihren Schreck den Händen in der spiritistischen Kette mit. O Gott! War das etwa Phil?
    »Phil? Bist du das, Phil?«
    »Gladys, du bist in Gefahr«, sagte die Stimme, »hüte dich vor dem Wasser. Du weißt, was man mir angetan hat!«
    Es war nicht die Stimme von Phil, dachte Gladys, aber dennoch musste es Phil sein, der aus dem Mund des Mediums zu ihr gesprochen hatte! Ein anderer kam ja gar nicht in Betracht! Wer könnte sonst wissen, was mit Phil in London geschehen war?
    »Warum bin ich in Gefahr, Phil?«, fragte sie.
    »Es sind Männer hinter dir her, sie sind auf dem Schiff!«, antwortete das Medium. »Pass auf dich auf! Sie werden sonst über dich herfallen und dich – na, du weißt schon, was manche Männer mit Frauen wie dir gerne tun – und danach werden Sie mit dir das Gleiche machen, was sie mir angetan haben, sie wollen dich töten.«
    Ihr war plötzlich heiß. Warum war sie hier und setzte sich diesem furchtbaren Schabernack aus? Am liebsten wäre sie aufgesprungen und aus der Kabine gestürmt.
    »Wer sind die Männer, von denen du sprichst?«, rief sie fast widerwillig.
    »Es ist alles so dunkel, Gladys; ich kann ihre Gesichter nicht sehen! Lass dich von ihnen nicht täuschen. Das Schiff ist voll von Männern, die dich über ihre Absichten zu täuschen suchen! Nimm dich vor den Verführern in Acht!«
    Verdammt! Sie konnte nicht ernsthaft glauben, dass es wirklich Phil war, der durch den Mund dieser schrecklichen Frau zu ihr sprach. Aber wer war es dann, der dem Medium diese Ungeheuerlichkeiten einflüsterte? Verstand sich ihr unbekannter Feind an Bord vielleicht auf schwarze Magie?
    »Täuschen? Was für Täuschungen meinst du?«
    »Sie machen falsche Versprechungen und bieten dir Geld für deine Dienste!«
    Dienste? Das war unmöglich Phil! So etwas hätte er nicht gesagt!
    »Das ist doch Unsinn, ich bin ganz bestimmt niemandem zu Diensten.«
    »Sie wissen, wer du bist, Gladys.«
    Hör auf, dachte sie, sprich nicht von meinem früheren Leben! Nicht hier, nicht in dieser Gesellschaft!
    »Wer weiß das? Wer sind sie? Schau genauer hin, damit du sie erkennst! Dich können sie doch nicht täuschen, Phil!«
    »Sie tragen Masken, Gladys!«
    »Masken, Phil? Dann reiß ihnen die Masken einfach ab!«
    »Ich kann es nicht.«
    Hatte Victoria Hoyt deshalb so höhnisch gegrinst, weil sie gewusst hatte, was geschehen würde? War sie es selbst, die diese bösen Scherze mit ihr trieb, oder steckte jemand anderer dahinter? Faussett vielleicht oder gar John Jacob Astor? Wer sonst käme dafür noch in Betracht? Sie warf einen Blick in Garfields Richtung, aber dieser hatte die Augen geschlossen und ließ sich nichts anmerken. Es konnte nur eine Erklärung für diesen Unfug geben, und das war die, dass jemand auf dem Schiff war, der um das Geschehen in London wusste. In welcher Weise es allerdings diesem Menschen gelang, sich dieses Mediums zu bedienen, um ihr Angst einzujagen, konnte sie sich nicht erklären. Ganz gewiss hatte es nichts mit der vierten Dimension zu tun. Eher ging es um Hypnose, aber noch wahrscheinlicher ging es um simple Täuschung und vorsätzlichen Betrug.
    »Und was soll ich tun, Phil?«, fragte sie.
    Eine Minute verstrich, aber es kam keine Antwort. Immer wenn sie einem einen konkreten Rat geben sollten, gingen die Geister stiften.
    »Sag es mir, Phil! Du musst es doch wissen!«
    Das Medium blieb still.
    ›Phil, warum haben Sie dich

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