Todesengel (Gesamtausgabe)
Ermittlerin, glaube inzwischen aber auch, dass sie sich mit ihrer Theorie von der Räuberbande verrannt hat! Sie steht mit ihrer Meinung auch ziemlich allein da, wenn ich die anderen Kollegen richtig verstanden habe. Meiner Meinung nach gibt es einige wichtige Details, die wir bei den weiteren Ermittlungen beachten sollten. Zum einen die ungeheure Wut des Täters, sowohl beim Mord an Engholm als auch bei dem an Berger! Diese Aggressivität spricht dafür, dass der Mörder emotional aufgewühlt ist und ich kann mir nicht vorstellen, dass Verbrecher, die nur ans Geld des Opfers wollen, diese Gefühlsaufwallung nachstellen können. Als zweites haben wir die Schmierereien an den Tatorten, Rache für M. im Hotel Astor und Rache für Rosi im Ruhwaldpark. Albers meint, dass der Buchstabe M für Marga stehen könnte, ein überaus attraktives Mädchen, das bis zu Bergers Tod als Auszubildende in seinem Vorzimmer arbeitete. Und Engholm hatte sogar eine Tochter namens Rosemarie! Die Befragung von Marga und Rosemarie hat zwar nichts gebracht, zumindest als Täterinnen kommen die jungen Frauen wegen ihrer wasserdichten Alibis nicht in Betracht, aber merkwürdig finde ich das Ganze schon! Wenn ich dann noch an die anderen Gemeinsamkeiten denke…“
Becker wollte von Mirjam wissen, welche Schlussfolgerungen sich hieraus für sie ergäben und die Oberkommissarin antwortete, ohne lange nachzudenken:„Dieselben wie für den Kollegen Albers! Irgendein Eiferer, der sich von Gott oder sonst wem berufen fühlt, treibt sich in unserem Land herum und bringt Männer um, weil sie ein bestimmtes Mädchen kennen!“
„Das hat was für sich“, bestätigte Becker, „reicht mir aber als Tatmotiv nicht aus! Wenn wir es nicht mit einem Geisteskranken im engeren Sinne zu tun haben, müssen wir uns doch fragen, ob zwischen den Mordopfern und den Mädchen etwas vorgefallen ist, das vergeltungswürdig sein könnte. Irgendetwas, das die jungen Frauen so tief verletzt hat, dass sie einem Dritten davon erzählten. Und der hätte dann an ihrer Stelle...“
Mirjam unterbrach ihn: „Genial! So könnte es gewesen sein! Aber warum sagen uns die Mädchen nicht, dass so etwas vorgefallen ist?“
„Aus Angst, mit einem Mord in Verbindung gebracht zu werden, weshalb denn sonst!“, meinte Becker, doch jetzt wirkte die Oberkommissarin wieder skeptisch:
„Das kommt mir alles so irreal vor! Kann es nicht auch so sein, wie Scharf unmittelbar nach dem Mord an Engholm gemutmaßt hat, dass irgendein Psychopath in Berlin von den Details der Hamburger Bluttat gehört hat und dabei auf den Geschmack gekommen ist?“
Becker grübelte vor sich hin und meinte schließlich: „Gut möglich! Nachahmungstäter gibt es schließlich genug! Aber heute werden wir das Rätsel nicht mehr lösen und ich bin schon froh, dass wir uns mit den Kollegen vom hiesigen LKA regelmäßig austauschen werden! Den restlichen Abend sollten wir aber das sündige Leben von St. Pauli genießen! Bist du dabei?“
„Und ob“, entgegnete Mirjam.„Wenn es nach mir ginge, würden wir hier bald aufbrechen und als Nächstes dem Ball Paradox unsere Aufwartung machen! Dann wären wir immer noch dienstlich unterwegs und könnten uns doch amüsieren!“
„Aber du müsstest mich auffordern, wenn du tanzen willst, wegen der Damenwahl!“, lästerte Becker und rief den Kellner, um die Rechnung zu bezahlen. Mirjam bemerkte seine Absicht und wollte schon protestieren, doch dann erinnerte sie sich daran, was ihr gestern Nachmittag durch den Kopf gegangen war und ließ ihn gewähren.
Draußen vor der Tür gab sie ihm als Dankeschön einen zarten Kuss auf die Wange, hakte sich wie selbstverständlich ein und als sie dann mit ihm dem nächsten Ziel entgegen strebte, wäre kein Passant bei ihrem Anblick auf die Idee gekommen, einen verheirateten Chef und seine Mitarbeiterin vor sich zu haben.
Nach zehn Minuten kamen die Berliner an einem der vielen Erotikläden vorbei und Mirjam, die wegen des doppelten Whiskys Sour in ihrem Blut schon eine Weile schäkerte, dirigierte Becker zum Schaufenster, amüsierte sich königlich über die ausgestellten, für Frauen viel zu groß geratenen hochhackigen Schuhe und fragte ihren Begleiter im Scherz, ob er sich vorstellen könne, in solchen Dingern zum Dienst zu kommen. Der Kriminalbeamte zupfte verlegen an seinem Schnurbart, wusste nicht recht, wie er reagieren sollte, gab dann aber seinem Herzen einen Stoß und meinte, dass er noch ganz andere Dinge anstellen
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