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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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würde, wenn es darauf ankäme. Mirjam sah ihn spöttisch an, fragte: „Wirklich?“ und machte Anstalten, den Laden zu betreten, worauf Becker ein wenig schummrig wurde, weil er die Absicht der Kollegin erkannte. Aber für Ausflüchte war es jetzt ohnehin zu spät und so stand er, ehe er sich versah, in dem bizarr ausgestatteten Geschäftsraum, in dem Stiefel mit irrwitzig hohen Plateausohlen, in Reih und Glied nach aufsteigender Größe geordnet, streng riechende Gummidessous und allerlei Schnickschnack für erotische Entdeckungsreisen auf Käufer warteten. Becker hätte am liebsten das Hasenpanier ergriffen, doch schon näherte sich eine ältere Dame, begrüßte ihn und Berndt mit kräftigem Händedruck und fragte höflich, was sie für sie tun könne. Becker bekam einen knallroten Kopf und murmelte etwas in seinen Bart, das wie „wir gucken nur!“ klang, doch spielte Mirjam die Rolle der toleranten Partnerin eines Mannes mit femininen Neigungen so überzeugend, dass er trotz der peinlichen Situation beinahe zu lachen angefangen hätte:
    „Mein Egon...“
    „Egon?“, platzte es aus der Verkäuferin heraus und Mirjam nickte heftig: „Sie haben richtig gehört! Mein Schatz ist bei weitem nicht so bieder, wie Sie denken, hat eine Vorliebe für Stiefel mit hohen Absätzen, die in unserer Heimatstadt kaum zu kriegen sind. Umso erfreuter war er, als er mit mir an Ihrer Schaufensterauslage vorbeikam…“
    „Ihm kann bestimmt geholfen werden!“, meinte die Frau und wandte sich Becker zu, der sich beinahe zu Tode schämte, seiner Kollegin zuliebe aber klein bei gab. Außerdem, dachte er insgeheim, war kaum anzunehmen, dass er in diesem Geschäft ein bekanntes Gesicht zu sehen bekommen würde und wenn er erst wieder draußen war, würde es bestimmt nicht lange dauern und der Spuk war vergessen.
    Die Verkäuferin bat ihn, auf einem Stuhl Platz zu nehmen und Schuhe und Socken auszuziehen, verschwand dann für einige Momente und kam mit einem Paar ausgefallener roter Lackstiefel zurück. Bat Becker höflich, vor der Anprobe Seidensöckchen überzuziehen und half ihm dann, in die grotesk anmutenden überknielangen Stiefel zu kommen. Es dauerte keine zwei Minuten und er steckte komplett in den bizarren Beinkleidern, musste in ihnen wie ein Storch zum mannshohen Spiegel an der Längswand des Ladens staksen und kam sich vor wie jemand, der zum ersten Mal auf Stelzen stand. Jetzt endlich hatte Mirjam ein Einsehen, entschuldigte sich bei der Verkäuferin mit der Ausrede, die Geldbörse nicht dabei zu haben. Nahm Becker, als er wieder in seinen Herrenschuhen steckte, mit Unschuldsmiene an die Hand und drückte ihn draußen auf der Straße fest an sich: „Du bist wirklich tapfer, Schatz! Dafür darfst du dir jetzt etwas von mir wünschen!“
    Becker war immer noch dabei, seine Fassung wiederzugewinnen und erwiderte: „So einen Wunsch gibt es gar nicht, es sei denn…“
    „Ja?“
    „Du weißt doch…“
    Weiter kam er nicht, weil Mirjam, einen Kopf kleiner als er, sich zu ihm hochreckte und heftig küsste, bevor sie mit ihm in eindeutiger Absicht in die Pension zurückkehrte…

11.
    Nach der Rückkehr aus Hamburg hätte es Becker und seiner Mitarbeiterin gut angestanden, nach dem Liebesabenteuer in der Pension Elbblick zur Tagesordnung überzugehen, doch trat zum Entsetzen der Kollegen eher das Gegenteil ein.
    Das frischgebackene Liebespaar ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass es in der Welt nichts Wichtigeres gab als seine innige Liaison, der Hauptkommissar und seine Mitarbeiterin umgarnten sich den lieben Tag lang, vernachlässigten ihre dienstlichen Pflichten und schließlich sah sich Frankenstein veranlasst, Mirjam und ihren Galan ins Gebet zu nehmen. Er redete mit Engelszungen auf die Beiden ein, appellierte an ihr Verantwortungsgefühl und beklagte die fehlenden Fortschritte in den laufenden Ermittlungen, aber vergebens. Der Hauptkommissar führte sich weiter auf wie ein liebestoller Hahn, die Oberkommissarin wie eine läufige Hündin und was sich hinter der verschlossenen Tür abspielte, wenn Becker sich mit ihr in sein Büro zurückzog, konnten sich die genervten Kollegen leicht ausmalen. So verwunderte es nicht, dass die Gerüchteküche mehr und mehr brodelte und die Romanze schließlich auch Carmen Becker zu Ohren kam, die sich seit kurzem wieder in Berlin aufhielt.
    Die Gattin des Hauptkommissars stellte ihren Mann sofort zur Rede, machte ihm eine bühnenreife Szene und drohte für den Fall, dass er

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