Todesengel (Gesamtausgabe)
Delinquent im Zeitlupentempo zu Boden sank, ein wenig zappelte und dann hilflos wie ein Baby liegen blieb. Ganz so, wie sie es sich erhofft hatte, weil sie den paralysierten Läufer jetzt problemlos in die Büsche schleifen und, ungestört von zufälligen Spaziergängern, ihr blutiges Werk verrichten konnte…
14.
Solange er ein Spielball seiner Hormone gewesen war, hatte Becker bei den Ermittlungen im Mordfall Engholm eine im seltsamen Kontrast zu seinen lahmenden Aktivitäten und den objektiven Gegebenheiten stehende Zuversicht ausgestrahlt, aber seitdem er sich von Mirjam getrennt hatte, ließ er sich mehr und mehr vom Virus der Verzagtheit anstecken, der unter seinen Kollegen grassierte und er wunderte sich, wie er die Realität so lange hatte verleugnen können.
Es gab nach wie vor keine Augenzeugen der Morde in Hamburg und Berlin, keine verwertbaren Indizien und die Beschreibungen der Frau, mit der Berger sich vor seinem Tod amüsiert hatte, gingen soweit auseinander, dass sich jedes zweite weibliche Wesen zwischen zwanzig und dreißig als dringend von der Polizei gesuchte Zeugin angesprochen fühlen konnte. Hinzu kam, dass die Hamburger Kollegen sich neuerdings aus unerfindlichen Gründen zurückhielten, wenn die Berliner Fahnder sie um Hilfe baten, was Becker sich nur damit erklären konnte, dass die Zusammenarbeit zwischen den Landeskriminalämtern aus politischen Gründen ungern gesehen wurde. Und noch ein Umstand sprach dafür, dass die Ermittlungen im Sande verlaufen würden. Mehrere Monate waren die Kliniken, in denen Anästhesisten das beim Mord an Berger zum Einsatz gekommene Gift als Narkosehilfsmittel verwendeten, im Auftrag des Hamburger LKA auf den Kopf gestellt worden und tatsächlich hatten sich bei den Inventuren etliche Unstimmigkeiten ergeben. Sooft die Ermittler auch nachrechneten, sie kamen nie auf einen Bestand, der sich aus der Differenz zwischen gelieferten und verwendeten Narkotika hätte ergeben müssen. Alles hatte dafür gesprochen, dass sich pflichtvergessene Mitarbeiter auf einen illegalen Handel mit dem Gift eingelassen hatten, bis ein von der Herstellerfirma unehrenhaft entlassener Prokurist ins Plaudern gekommen und den wahren Sachverhalt offenbart hatte. Seitdem wussten auch Berger und seine Leute, dass manche Firmen der Pharmaindustrie bei ihren Mengenangaben aus Profitgier schummelten und es sich nicht lohnte, im Rahmen der Tätersuche die Vertriebswege gestohlener Narkotika aufzuspüren. Wenn sie Bergers und vielleicht auch Engholms Mörder jemals fassten, dann jedenfalls nicht auf diesem Wege…
Becker überlegte, während er in der Zeitung seines Basketballklubs blätterte, wie es mit den Ermittlungen weitergehen sollte, als er seine bessere Hälfte nach ihm rufen hörte.
„Ich komm ja schon!“, knurrte er missmutig und trottete in die Küche, voller Ärger darüber, dass Carmen seine Affäre mit Mirjam weidlich ausnutzte und ihn vorzugsweise zu den Hausarbeiten heranzog, die er am meisten hasste.
„Du kannst schon mal die Kartoffeln schälen“, meinte sie, und der Glanz in ihren Augen verriet ihm, wie sehr sie die Situation genoss, „aber binde dir bitte eine Schürze um!“ Das sieht ihr ähnlich, dachte der Kriminalbeamte, lächerlich will sie mich vor den Kindern machen! Und das an meinem freien Tag, an dem ich endlich mal wieder abschalten wollte...
„Sprich ruhig aus, was du denkst“, flötete Carmen mit gespielter Unschuld, „bei deiner Schlampe könntest du jetzt die Beine hochlegen und dich verwöhnen lassen, statt am Herd zu stehen! Aber du bist nun mal mit mir verheiratet und außerdem Vater von zwei Töchtern! Natürlich kannst du zu dieser Mirjam ziehen und dich trösten lassen, aber dann fressen dich die Unterhaltszahlungen für mich und die Kinder auf…“
„Hör schon auf“, brummte Becker, „du weißt genau, dass ich dir nicht weglaufe!“
„Schon“, erwiderte seine Gattin, „aber du kommst jetzt in das Alter, in dem die Nebenbuhlerinnen immer jünger werden und wenn ich deinen Tatendrang nicht rechtzeitig bremse, bist du irgendwann mit einer 18-Jährigen auf und davon und ich kann sehen, wo ich bleibe…“
„Es geht dir nur um das Geld?“, fragte er ungläubig, worauf sich Carmen zum ersten Mal seit langem an ihn schmiegte und flüsterte: „Natürlich nicht! Ich bin verrückt nach dir wie am ersten Tag und würde höchst ungern im Bett auf dich verzichten! Wenn du willst, legen wir uns nach dem Mittagessen ein wenig hin, die
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