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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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ihm anzusehen, dass er sich am liebsten um die überfällige Unterredung mit seiner Verflossenen herumgedrückt hätte...
    Wieder in seinem Büro angekommen, fand Becker auf dem Schreibtisch eine Liste vor, in der die zwischenzeitlich im Sekretariat eingegangenen Anrufe unter Nennung der Telefonnummern, der Namen der einzelnen Anrufer und stichwortartig das jeweilige Anliegen vermerkt waren und er staunte, wer alles versucht hatte, Frankenstein oder ihn zu erreichen. Sauerbrei, der heute ganztägig die Anklage in einem Mordprozess vertrat, hatte dreimal vergeblich sein Glück versucht, Prälat Walshammer vom Bischöflichen Ordinariat sogar viermal und wenn er die Anrufe der Medienvertreter hinzuzählte, kam er problemlos auf zwanzig Anrufe in den letzten drei Stunden.
    Becker nahm die Liste, schlurfte durch das zur Mittagszeit verwaiste Sekretariat zum Büro seines Vorgesetzten und übergab sie ihm mit dem Hinweis, dass es an der Zeit sei, das öffentliche Interesse zu kanalisieren, worauf Frankenstein ebenfalls einen Blick auf die Notizen warf und ihn korrigierte: „Die Presse macht mir weniger Sorgen als die Kirche! Mir ist zu Ohren gekommen, dass sogar der Kardinal beim Bürgermeister interveniert hat! Deshalb kann alles andere warten, nicht aber die Kontaktaufnahme zu diesem Prälaten! Stelle also alle anderen Aktivitäten fürs Erste zurück und frage Walshammer, was er von uns will! Ich kümmere mich derweil um den Oberstaatsanwalt, vielleicht geht er ja in einer Sitzungspause ans Telefon...“
    „Und was ist mit den Journalisten?“
    „Das kläre ich mit Sauerbrei! Ich werde ihm vorschlagen, morgen früh eine weitere Pressekonferenz abzuhalten, mit allem Brimborium, sodass die Pressefritzen das Gefühl haben, von uns ernst genommen zu werden...“ Der Hauptkommissar grinste und konnte sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen: „Solche Probleme hattest du in der DDR nicht, oder?“
    „Meinst du die Schwierigkeiten mit den Medien?“
    „Na ja…“, druckste Becker herum und fing an, sich wegen der Zornesfalten auf der Stirn seines Chefs zu sorgen.
    „Dann würdest du es wohl vorziehen“, fauchte Frankenstein, „jeden Tag das Neue Deutschland lesen zu müssen?“ Der Hauptkommissar spürte, dass er zu weit gegangen war und bat um gutes Wetter: „Unsinn! Lieber ärgere ich mich über den Schwachsinn, den einige Journalisten zu Papier bringen! Außerdem wollte ich dir mit meiner Bemerkung nicht zu nahe treten, ich weiß ja, dass du vor dem Mauerfall in den Westen gekommen bist!“
    Frankenstein brummte: „Gar nichts weißt du!“ und nahm sich vor, Becker gelegentlich zu schildern, wie er sich vor dem Freikauf durch die Bundesregierung im Gewahrsam der Staatssicherheit gefühlt hatte, bezweifelte aber, dass der Hauptkommissar im vollen Umfang begriff, wie es seinem Chef vor über zwanzig Jahren gegangen war.
    Der Hauptkommissar ging wieder in sein Büro zurück, bat unterwegs die vom Mittagstisch zurückgekehrte Sekretärin, die am frühen Vormittag zur Befragung des Pfarrers von St. Blasius aufgebrochene Mirjam zu ihm zu schicken, sobald sie wieder im LKA eintraf und wusste nicht recht, ob er sich zuerst auf die nachmittägliche Lagebesprechung vorbereiten oder den Prälaten anrufen sollte. Schließlich entschied er sich dafür, der Bitte seines Chefs zu entsprechen, suchte die Nummer der Bistumsverwaltung heraus und wählte sie. Nach wenigen Sekunden meldete sich eine Frau mit unfreundlich klingender Stimme und wollte ihn zunächst abwimmeln, verband ihn aber doch mit dem Prälaten, als er deutlich machte, dass der Würdenträger auf seinen Rückruf wartete.
    Walshammer druckste, als er ihn nach kurzer Vorstellung darum bat, sein Anliegen zu schildern, eine Weile herum und Becker fragte sich, warum sich der Geistliche so zierte, doch dann taute der Gottesmann doch noch auf und schilderte die Sorgen des Kardinals, der es nicht für imagefördernd hielt, wenn die Kirche in den Nachrichten von Hörfunk und Fernsehen eine unrühmliche Rolle spielte und dazu die Schlagzeilen der Tageszeitungen beherrschte.
    „Wir tun unser Bestes!“, versicherte Becker und wollte das Gespräch schon beenden, als der Prälat zu seinem eigentlichen Anliegen kam. Der Kardinal wolle sich unbedingt mit den Spitzen des LKA treffen und könne versprechen, dass nicht nur das Bistum, sondern auch die Polizei hiervon profitieren werde. Der Hauptkommissar versuchte jetzt, Walshammer noch mehr aus der Reserve zu locken, doch

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