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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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und wandte sich erneut den Nudeln zu. Sie teilte den Teig in zwei Hälften, walzte beide aus, markierte auf einem Stück mit einer runden Form Kreise von 4 cm Durchmesser, gab auf jeden Kreis ein wenig Füllung und bestrich den Teig an den Rändern mit Ei, ehe siedas zweite Stück Nudelteig darüber legte, fest über jeder Füllung andrückte und die so entstehenden Ravioli mit einem Teigrädchen an den Markierungen herausschnitt.
    „Fast geschafft!“, bemerkte sie launig und brachte einen großen Topf mit Salzwasser zum Kochen, gab die Ravioli fürzwei Minuten hinein, goss das Wasser ab, garnierte die gefüllten Nudeln mit Parmesanspänen und brachte das Essen schließlich ins Wohnzimmer, wo sie für zwei Personen gedeckt hatte. Sie erwartete zwar nicht, dass ihr jemand bei der Henkersmahlzeit Gesellschaft leistete, aber schließlich lag es nicht an ihr, dass der Delinquent nicht zugegen war, sondern war den Umständen geschuldet...
    Die Ravioli schmeckten trotz der frühen Stunde vorzüglich, der Bordeaux passte sich mit seiner kräftigen und doch samtenen Note an, wie es ein guter Chianti nicht besser vermocht hätte und als sie nach dem Essen die erste Zigarette des Tages anzündete und der Rauch bis in ihre Lungenspitzen drang, hätte sie vor Freude jauchzen können, wenn der Gedanke an die bevorstehende Hinrichtung ihr nicht so bitter aufgestoßen wäre. Mit leiser Wehmut zerdrückte sie den Zigarettenstummel, eilte ins Schlafzimmer, kleidete sich um und betrachtete an der Frisierkommode ihr Spiegelbild. Sie sah immer noch nicht wie eine richtige Sportlerin aus, doch liefen im Zeitalter des Jugendwahns viele übergewichtige Frauen im Trainingsanzug und mit einem feschen Stirnband durch Spree-Athen und so würde sie in ihrer Aufmachung bestimmt nicht weiter auffallen.
    Nach einem weiteren Blick auf die Uhr griff sie nach dem Rucksack, in dem alle in der nächsten Stunde benötigten Utensilien, dazu ihre Papiere verstaut waren, griff nach dem Schlüsselbund und atmete noch einmal durch, ehe sie die Wohnung verließ und pünktlich um 7 Uhr ihren vor dem Gebäude abgestellten Kompaktwagen startete.
    Normalerweise brauchte ein geübter Fahrer um diese Uhrzeit, abhängig vom Verkehrsaufkommen, ungefähr 20 Minuten, um von Schöneberg zur Straße des 17. Juni zu kommen, auf der sich zwischen Siegessäule und Ehrenmal meist ein Plätzchen für den fahrbaren Untersatz fand, aber heute staute es sich auf dem Weg zur grünen Lunge der City mehr als sonst und Debbie befürchtete schon, zu spät zu kommen und die Zielperson zu verpassen, die an jedem Mittwoch zwischen sieben und acht Uhr ihre Runden im Tiergarten drehte. Auf diese Gewohnheit hatte sie ihre Planungen aufgebaut und deshalb drängelte sie jetzt und hupte, nahm mit ihrer Fahrweise sogar in Kauf, die Polizei auf sich aufmerksam zu machen, gewann mit ihrer Unverfrorenheit aber die entscheidenden Minuten, um noch vor 8 Uhr im Park anzukommen, wo sie sich an der Laufstrecke des Todeskandidaten im Gebüsch versteckte.
    Seltsamerweise bemächtigte sich ihrer jetzt eine kaum für möglich gehaltene Ruhe und sie öffnete bedächtig den Rucksack, entnahm ihm als erstes ein Paar Latexhandschuhe, die sie sofort überstreifte, dann ein fast vollständiges Operationsbesteck, eine auf dem nahen Flohmarkt erworbene Soutane, das Blasrohr, mit dem sie den Giftpfeil auf den Delinquenten abfeuern würde und den obligatorischen Zettel, den sie zu guter Letzt am Priesterrock befestigen würde. Dann ging sie in die Hocke, spähte mit einem Fernglas nach dem Vergewaltiger, der nach ihren Berechnungen jeden Augenblick in der nächsten Kurve auftauchen musste und wurde, als sie vergebens auf ihn wartete, immer nervöser. War ihr Opfer heute ausnahmsweise zuhause geblieben? War er früher dran als sonst und längst auf dem Rückweg nach Neukölln? Ein leiser Fluch kam über ihre Lippen und sie begann schon, sich wegen der Trödelei beim Kochen Vorwürfe zu machen, als der hagere Läufer doch noch auftauchte.
    Vorsichtig griff sie nach dem Rohr mit dem Giftpfeil, führte es behutsam zum Mund, hoffte inständig, heute ebenso treffsicher zu sein wie bei ihren unzähligen Übungen und versuchte, sich auf die Zielperson zu konzentrieren. Dann war der Mann, der außer den Laufschuhen nur Turnhose und T-Shirt trug, auch schon heran und sie kam aus ihrer Deckung heraus, blies dem fassungslosen Jogger den Pfeil mit dem anhaftenden Narkosehilfsmittel in den Hals und sah seelenruhig zu, wie der

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