Todesengel (Gesamtausgabe)
schien der Prälat nicht autorisiert zu sein, irgendwelche Details preiszugeben und so gab er sein Unterfangen auf, sagte dem Geistlichen zu, sich wieder bei ihm zu melden und begab sich zu Frankenstein, um ihn über das Telefonat zu informieren.
Der Chef reagierte auf das Ansinnen des Kardinals anfangs sehr verhalten, sah aber letztlich ein, dass er mit der Kirche kooperieren musste, wenn er in den Ermittlungen vorankommen wollte und versprach, den Gesprächswunsch des geistlichen Würdenträgers an den Landeskriminaldirektor weiterzuleiten.
Becker kehrte erleichtert an seinen Schreibtisch zurück und wunderte sich darüber, dass Mirjam schon auf einem der beiden Besucherstühle Platz genommen hatte. Eigentlich konnte er froh sein, dass es jetzt zum von Frankenstein verlangten Gespräch mit der ehemaligen Geliebten kam, aber wenn er die Leichenbittermiene sah, die sie aufgesetzt hatte, schwante ihm hinsichtlich des Verlaufs der Unterredung Böses.
„Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?“, fragte er halb im Scherz, merkte aber, dass seiner Verflossenen nicht nach Späßen zumute war und versuchte deshalb, auf der Sachebene Zugang zu ihr zu finden:
„Ich danke dir für dein schnelles Kommen, weil ich unbedingt wissen muss, was die Befragung des Pfarrers ergeben hat!“ Mirjams Gesicht verfinsterte sich noch mehr. Sie lasse sich von ihm nicht an der Nase herumführen, wisse genau, dass es einen anderen Grund für das Gespräch gebe und wenn er sie schon wegen ihres Verhaltens maßregeln wolle, solle er auch dazu stehen. Becker sah ein, dass er so nicht weiter kam und räumte ein, mit ihr über gewisse Verhaltensänderungen sprechen zu wollen. Die anderen Kollegen beklagten sich bei ihm darüber, dass kein liebes Wort über ihre Lippen komme, sie kein Lächeln mehr für andere übrig habe und ihre Konzentration immer häufiger zu wünschen übrig lasse. Und mindestens ihre verminderte Leistungsfähigkeit habe aus seiner Sicht Auswirkungen auf die laufenden Ermittlungen.
Weiter kam er nicht. Die Gesichtszüge der Oberkommissarin entgleisten von einer Sekunde zur anderen, Tränen liefen über ihre Wangen und dann brach es mit Macht aus ihr heraus. Becker sei das größte Schwein, das sie kenne, habe mit ihr gespielt wie mit einer Puppe und sie dann achtlos weggeworfen und er könne doch nicht ernsthaft annehmen, dass eine zutiefst verletzte Frau ohne Umschweife zur Tagesordnung übergehe. Sie sei jedenfalls immer noch mit ihren Nerven am Ende und werde alles daran setzen, sobald wie möglich zu einer anderen Dienststelle versetzt zu werden.
Jetzt rang auch Becker mit seiner Fassung, hatte er sich doch nicht vorstellen können, wie nah Mirjam die Trennung gegangen war und er versuchte, die Wogen der Erregung ein wenig zu glätten. Es tue ihm aufrichtig leid, wenn bei ihr der Eindruck entstanden sei, es mit einem gefühlskalten Egomanen zu tun zu haben und er werde alles daransetzen, um das Verhältnis zu ihr wieder ins Lot zu bringen, aber sie müsse auch ein gewisses Maß an Verständnis für ihn haben, seine Frau lasse ihn einfach nicht los und es sei auch nicht leicht, auf die lieb gewonnenen Töchter zu verzichten, die Carmen ihm im Falle einer Scheidung bestimmt entziehen werde.
Mirjam schienen seine Worte milde zu stimmen, zumindest ging sie ohne große Widerrede auf sein Angebot ein, sich bei allen Sorgen und Problemen an ihn zu wenden und versprach darüber hinaus, sich wieder mit voller Hingabe ihren dienstlichen Pflichten zu widmen, aber Becker spürte, dass er noch nicht alle Untiefen in der Seele der Oberkommissarin ausgelotet hatte, es in ihrer Seele brodelte wie in einem Vulkan und es nur eine Frage der Zeit war, bis sie explodierte und sich die heiße Lava ihres Gemüts über alles und jeden in ihrer Nähe ergoss...
16.
Die kräftige Maiensonne war längst untergegangen und am Himmel leuchteten die Sterne mit einer Strahlkraft, wie sie die Menschen nur weitab der großen Städte zu sehen bekamen.
„In Daddys Heimat sehen die funkelnden Diamanten noch viel imposanter als hier aus!“, behauptete die hoch gewachsene Frau, obwohl sie den afrikanischen Kontinent noch nie betreten hatte, aber der Vater von Timm und Sven würde sie im nächsten Zwiegespräch bestimmt zurechtweisen, wenn sie nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Schade nur, dass es zwischen ihnen bei der Zärtlichkeit der Worte bleiben musste, aber was konnte sie dagegen machen, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilte, nach
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