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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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dem brutalen Überfall auf ihn und seine Freunde wie ein räudiger Hund krepiert war?
    Den Zwillingen, die im Garten hinter der schäbigen Hütte miteinander spielten, war es jedenfalls egal, ob sie mit ihrer Aussage ins Schwarze getroffen hatte, für sie war nur wichtig, ihre Nähe und Zuneigung zu spüren, weil sie das einzige menschliche Wesen in Neuwiese war, dem sie voll und ganz vertrauen konnten.
    „Wollt Ihr nicht schlafen gehen?“, fragte sie die Racker nach einigen Minuten des Schweigens und die Söhne schienen, was sie ziemlich überraschte, nichts dagegen zu haben, ins Traumland zu wechseln, obwohl es sonst viel Kraft kostete, sie ins Bett zu bringen. Aber heute hatten sie fast den ganzen Tag im Freien herumgetobt und irgendwann war wohl jeder Akku leer.
    Die Mutter brachte die Jungen ins Haus, half ihnen beim Entkleiden, achtete darauf, dass sie ihre Zähne putzten und las ihnen schließlich, als sie mit kleinen Augen im Kinderzimmer dalagen, ein Märchen vor, wie sie es als kleines Mädchen auch gern gehabt hatte. Gegen zehn Uhr schliefen die Zwillinge ein und Hannelore verließ sie auf Zehenspitzen, um es sich in der Wohnstube auf dem Sofa bequem zu machen. Eigentlich war sie ebenso müde wie ihre Kinder, aber noch schwirrte zu viel in ihrem Kopf herum, als dass sie hätte unbeschwert einschlafen können. So griff sie nach der Fernbedienung für den altersschwachen Fernseher, verweilte einige Minuten beim Aktuellen Sportstudio, dann bei einem Polizeiruf 110 aus DDR-Zeiten und sah sich schließlich die Spätausgabe der Tagesschau an, in denen zuletzt auch die bevorstehenden Feiern zur dreiundsechzigsten Wiederkehr des Kriegsendes thematisiert wurden. Hauptsache, die Nazis randalieren nicht wieder, dachte sie beim Anblick des von Polizisten bewachten Holocaustdenkmals und sofort liefen wieder die Bilder vor ihrem geistigen Auge ab, die sich unauslöschlich in ihr Hirn eingebrannt hatten. Die Bilder der Barbaren, die ihren sanften, liebenswerten Mugabe aus Hass zu Tode geprügelt und sich später im Gerichtssaal sogar ihrer Tat gerühmt hatten. Die Augen voller Tränen, wechselte sie zurück zum Polizeiruf 110, in dem der früh verstorbene Ulrich Mühe eine Nebenrolle gespielt hatte, füllte sich ein Glas Weißwein ein und versuchte mit Macht, sich bei einer Filmkomödie aus den 70-er Jahren abzulenken, was ihr schließlich auch gelang.
    Darüber schlief sie ein und träumte von glücklicheren Tagen, bis wieder die Ereignisse des letzten Sommers in ihrem Kopf hochkamen, die sie ebenso traumatisiert hatten wie der gewaltsame Tod ihres afrikanischen Riesen. Sie sah sich von zuhause aufbrechen, frohgelaunt und beschwingt, weil nach dem Regen der vergangenen Wochen endlich wieder die Sonne schien. Sie trug ein luftiges weißes Sommerkleid mit roten Pünktchen und in ihrer Umhängetasche war alles verstaut, was sie in den nächsten Stunden brauchte, von der Küchenschürze über den blassblauen Bikini und das Sonnenschutzmittel bis zum Rätselheft. Zunächst würde sie vollauf damit beschäftigt sein, die beiden Männer zu bekochen, aber irgendwann war alles getan, das verschmutzte Geschirr abgewaschen, die Hütte gesäubert und das versprochene Geld entgegengenommen und dann, so hatte sie es sich fest vorgenommen, würde sie sich auf der Lichtung unterhalb der Jägerbehausung niederlassen und es sich gut gehen lassen, während Kohn und Stockmann vom Hochsitz aus nach Rehen und Hirschen Ausschau hielten. Eine gute halbe Stunde brauchte sie, um zu Fuß ans Ziel zu gelangen, am Ende konnte sie kaum noch auftreten, weil sich an einer Ferse Blasen gebildet hatten und so war sie froh, endlich die Hütte vor sich zu sehen, die ihr mindestens doppelt so groß vorkam wie das eigene Häuschen. Sie zögerte einen Moment, ging dann aber entschlossen auf die Eingangstür zu und klopfte an. Nichts.
    Keine Reaktion von drinnen, kein Geräusch oder sonstiges Indiz, aus dem sie hätte schließen können, nicht allein im Wald zu sein. Wieder klopfte sie an, diesmal etwas energischer, doch erneut kam niemand an die Tür, um sie hereinzulassen und sie wurde langsam wütend. Wollten ihr die Kerle einen Streich spielen? Versteckten sie sich hinter einem Baum und freuten sich wie die Schneekönige über ihren Schabernack?
    Entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten ging sie erzürnt in die Offensive, drückte die Türklinke herunter und stand im nächsten Augenblick auch schon in der guten Stube, deren Interieur alle Klischees

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