Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
zweckentfremdete militärische Erfindung.
    Ingo spürte seinen Mund trocken werden. Nein. Das konnte nicht sein. Alles in ihm sträubte sich gegen eine so … profane Auflösung des Rätsels.
    Rado tippte mit dem Fingernagel an den Schirm, während die nächste Meldung verlesen wurde, und erklärte vorwurfsvoll: »Diesen Filmbericht musste ich kaufen . Ortheil hat die Presseagenturen und alle großen Sender informiert, nur City Media nicht. Was natürlich volle Absicht war. Er will uns zeigen, dass er uns auf dem Kieker hat.«
    »Wegen meiner Sendung«, mutmaßte Ingo benommen. Das klang wie ein Vorwurf. Dachte Rado daran, die Reihe abzusetzen?
    Wobei … das war jetzt auch egal. Wenn sie den Racheengel hatten, wenn sich dahinter nicht mehr verbarg als das … wozu dann weitermachen?
    »Na klar wegen deiner Sendung«, bestätigte Rado. »Deswegen musst du aus dem Bericht heute Abend was machen. Ich hab die Aufnahmen von der Verhaftung gleich so lizenziert, dass wir sie heute Abend noch einmal verwenden dürfen.«
    »Und was soll ich daraus machen?« Ingo fühlte plötzlich unendliche Müdigkeit.
    »Keine Ahnung. Lass dir was einfallen. Was Spektakuläres. Etwas, was die anderen nicht bringen.«
    »Was bringen denn die anderen?«
    »Für die anderen ist das der Racheengel. Sie spekulieren über seine Beweggründe, seinen Modus operandi , seine Geschichte, und lästern darüber, wieso die Polizei so lange gebraucht hat.«
    »Das ist nicht der Racheengel«, murmelte Ingo. »Das kann er nicht sein. Das darf er nicht sein.«
    Rado rieb zufrieden die Hände. »Prima. Die Bildtechnikerin sitzt schon drüben im Videoschnitt. Hau rein.«
    Ambick verzichtete darauf, dem Konvoi des Staatsanwalts hinterherzufahren. Er kehrte ins Kommissariat zurück und arbeitete in seinem Büro ein wenig von dem Papierkram auf, der in den letzten Tagen liegen geblieben war. Erst als ihn die Nachricht erreichte, dass Blier im Untersuchungsgefängnis eingetroffen war und vernommen wurde, packte er die Akten weg und fuhr ebenfalls hinüber.
    Im Eingang kam ihm Enno entgegen, schlecht gelaunt wie selten. »Ich brauch jetzt ’nen Kaffee«, knurrte er nur.
    »Und sonst?«, fragte Ambick.
    »Vergiss es.« Enno blieb stehen, machte eine Bewegung, als schleudere er ein unsichtbares Glas gegen die Wand. »Ein sturer Hund. Aus dem kriegst du nichts raus.«
    »Und dein Gefühl?«
    »Mein Gefühl?« Enno sah sinnend ins Leere. »Mein Gefühl sagt mir, dass Ortheil da ins Klo gegriffen hat. Aber mal ganz tief. Und in seinem besten Anzug.« Er schüttelte sich, wandte sich zum Gehen. »Ich brauch ’nen Kaffee. Viel Spaß.«
    Die Vernehmungszimmer lagen im Untergeschoss, große, kahle, in ihrer Neutralität ausgesprochen feindselig wirkende Räume. Alle Böden hier unten waren mit einem seltsamen Anstrich versehen, auf dem man Schritte kaum hörte, es roch intensiv nach Desinfektionsmittel, und alles, was man sagte, klang dumpf.
    Ulrich Blier saß alleine in Raum 1, reglos, entspannt. Er trug immer noch seine Uniform, weil er als Untersuchungshäftling keine Anstaltskleidung tragen musste; man hatte ihm lediglich scharfe Gegenstände abgenommen.
    »Guten Tag, Herr Blier«, sagte Ambick und setzte sich ihm gegenüber an den am Boden festgeschraubten Tisch. Er saß mit dem Rücken zu dem Halbspiegel, hinter dem die Kameras standen, die alles aufzeichneten. »Ich bin Kriminalhauptkommissar Justus Ambick.«
    Blier betrachtete ihn unbewegten Gesichts, sagte nichts. Er hatte streichholzkurze, sandfarbene Haare, tiefblaue Augen und einen Zug von Unerbittlichkeit um die Mundpartie. Wenn man ihn ansah, zweifelte man nicht daran, einen Mann vor sich zu haben, der wusste, wie man tötete, und nicht zögern würde, es zu tun, wenn es für die richtige Sache erforderlich war.
    »Herr Blier«, fuhr Ambick fort, »letzte Woche, die Nacht von Sonntag auf Montag – wo waren Sie da?«
    Blier öffnete langsam den Mund. Zuzusehen, wie Bewegung in seine Züge kam, war, als beobachte man, wie an einem Berghang eine Lawine losbrach.
    »Das habe ich Ihrem Kollegen schon erklärt«, sagte er mit desinteressierter Stimme.
    »Erklären Sie’s mir auch noch mal«, bat Ambick geduldig.
    »Wozu?«
    Ambick hob die Schultern. »Das macht man bei Vernehmungen so. Man will herausfinden, ob sich jemand in Widersprüche verwickelt.« Als Blier keine Miene verzog, fügte er hinzu: »Ihr Kamerad hat ausgesagt, Sie mehrmals abends aus dem Stützpunkt heraus- und spät nachts wieder

Weitere Kostenlose Bücher