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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hereingeschmuggelt zu haben. Bestreiten Sie das?«
    »Nein«, sagte Blier.
    »Sie waren also fort.«
    »Ja.«
    »Trotz der Ausgangssperre, der Sie unterlagen.«
    »Ja.«
    »Und wo waren Sie?«
    Seine Pupillen verengten sich ein ganz kleines bisschen. »Ich war mit einer Frau zusammen.«
    »Mit wem?«
    »Das«, erklärte Blier, »werde ich Ihnen nicht sagen.«
    Ambick lehnte sich nach vorn. »Sie brauchen ein Alibi, Herr Blier.«
    Er hob nur kurz die Augenbrauen, sagte aber nichts. Es schien ihm gleichgültig zu sein. Er wirkte überhaupt wie jemand, dem ziemlich viel gleichgültig war. Ein Wunder, dass sich so jemand überhaupt auf eine Affäre einließ, die solche Umstände und Risiken erforderte.
    »Sie wollen diese Frau nicht in Schwierigkeiten bringen«, vermutete Ambick.
    Blier nickte.
    »Sie ist also verheiratet. Mit jemandem, der sehr eifersüchtig würde. Von dem ihr Gefahr droht.«
    Zu Ambicks Überraschung entlockte das Blier ein spöttisches Grinsen. »Nein. Ihr Mann ist ein Waschlappen, der sie nicht verdient hat. Aber sie ist eine Dame der höheren Gesellschaft. Es würde ihrem Ruf schaden. Geben Sie’s auf. Sie werden ihren Namen nicht aus mir herausbekommen.«
    »Eine Frage der Ehre«, sagte Ambick.
    Blier nickte, wirkte einen Moment lang positiv überrascht. »Ja, genau. Eine Frage der Ehre.«
    »Gut. Lassen wir das.« Ambick zog den Zettel mit den Adressen aus der Tasche. »Sagen Ihnen die Namen Lutz Rehmers, Bernd Pochardt oder Hans Brodowski etwas?«
    Blier legte die Stirn in Falten. »Müssten sie mir etwas sagen?«
    »Das frage ich Sie ja.«
    »Nein. Keine Ahnung, wer das sein soll.«
    »Wie sieht es aus mit dem Namen Florian Holi?«
    Eine nachdenkliche Pause entstand. Ambick wartete sie geduldig ab, weil er sah, wie es im Gesicht des Soldaten arbeitete.
    »Ach so, das«, sagte Blier schließlich leise, in gänzlich verändertem Ton. »Das ist lange her.«
    »Fünfzehn Jahre.«
    »Ja.«
    »Woran erinnern Sie sich?«
    »Woran erinnere ich mich?« Sein Blick wanderte zur Seite. »An wenig. Er wollte uns in Schutz nehmen. Waren das ihre Namen? Ich hab sie vergessen. Sie haben ihn umgerannt, zu Boden geworfen. Auf ihn eingetreten. Unten ist eine S-Bahn vorbeigefahren … Es war auf einer Brücke, das weiß ich noch. Wir haben um Hilfe geschrien, aber niemand hat uns geholfen.« Er blinzelte, schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, das ist lange her. Ich hab nur ganz dunkle Erinnerungen.«
    »Was empfinden Sie, wenn Sie an diesen Moment zurückdenken?«
    Blier zuckte nur mit den Achseln.
    »Gleichgültigkeit?«, fragte Ambick.
    »Bedauern. Aber ich habe eine halbe Ewigkeit nicht mehr an diesen Vorfall gedacht.«
    »War er der Grund, warum Sie Soldat geworden sind?«
    Der Gedanke schien Blier noch nie gekommen zu sein, zumindest wirkte er verblüfft. »Nein. Nein, das glaube ich nicht.«
    »Was war dann der Grund?«
    »Braucht man einen Grund?«
    »Es interessiert mich nur.«
    Blier verschränkte die Arme, sah sinnend auf die blanke, graue Tischplatte zwischen ihnen. »Ich weiß es nicht mehr«, gestand er schließlich. »Ich weiß nicht mehr, was mich dazu bewogen hat. Eigenartig, wenn ich jetzt so darüber nachdenke.«
    Er log nicht, dessen war sich Ambick sicher. Er sagte nicht alles, was er wusste, aber er log nicht. Ambick misstraute gefühlsmäßigen Urteilen, vor allem seinen eigenen, doch was Ulrich Blier anbelangte, war sein Gefühl so eindeutig wie selten.
    Ingo war innerlich aufgewühlt, als er das Studio betrat, und er war es immer noch, als der Aufnahmeleiter ihm die letzten drei Sekunden an den Fingern herunterzählte und die rote Signallampe an der mittleren Kamera aufleuchtete. »Guten Abend, meine Damen und Herren, zu einer neuen Ausgabe von Anwalt der Opfer .« Es kam routiniert. Die Vorstellung und Begrüßung seiner Studiogäste: schon zu routiniert. Er konnte hören, wie das Publikum unruhig wurde, wie die Konzentration nachließ. Er war sich seines eigenen Desinteresses an den Schicksalen der beiden bewusst, wusste selber, dass er deren Erlebnisse zu flüchtig abhandelte, zu oberflächliche Fragen stellte, aber er war außerstande, es zu ändern. Seine Gedanken wanderten immer wieder zurück zu den Stunden, die er zusammen mit der froschähnlichen Videotechnikerin vor den Computerschirmen in der Bildbearbeitungsabteilung verbracht hatte, und dann kochte jedes Mal ein Zorn in ihm hoch, den er sich nur hier erlauben konnte, in der dunklen Geborgenheit des Fernsehstudios.
    Endlich waren

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