Todesengel: Roman (German Edition)
der Produzentin befummelt hatte. »Schon verstanden«, meinte er. »Und das war bei mir nicht so.«
»Nein. Leider.« Er hörte es, sie war in Fahrt. Nicht zu bremsen. »Weißt du, ich habe viel darüber nachgedacht in letzter Zeit. Warum unsere Beziehung gescheitert ist.«
»Sag bloß«, murmelte Ingo unbehaglich. »Ehrt mich das jetzt?«
»Erinnerst du dich an die Kneipe, in die wir früher nach dem Kino sind, auf einen Absacker?«
»Das Psycho . Klar.«
»Das letzte Mal, als wir dort waren, hat mich einer angemacht, während du auf dem Klo warst. Was heißt angemacht – der hat mich regelrecht bedrängt, mich begrapscht und alles.«
Ingo spürte seinen Mund trocken werden. »Ich erinnere mich. Das hast du mir erzählt.«
»Hab ich, ja. Aber der Punkt ist«, fuhr Melanie unversöhnlich fort, »dass ich dich damals gesehen habe. Du hast im Gang zu den Toiletten gestanden und nichts gemacht, hast nur gewartet, dass ich alleine mit dieser blöden Situation fertigwerde. Der Kellner hat eingegriffen, hat dem Typ gesagt, dass er sich verziehen soll. Dann erst bist du gekommen und hast so getan, als ob nichts wäre. Und ich habe auch so getan, als ob nichts wäre. Als hätte ich dich nicht gesehen.«
Ingo schwieg betreten. Es stimmte. Keine Episode, auf die er stolz sein konnte. Aber er hatte einfach nicht gewusst, was er tun sollte!
»Das war der Riss«, erklärte Melanie. »Daran ist unsere Beziehung letzten Endes zerbrochen. An dem Abend habe ich gelernt, dass ich mich nicht auf dich verlassen kann.«
»Und auf Matschi kannst du dich verlassen?«
Eine Pause auf der anderen Seite. Dann sagte sie kühl: »Weißt du, wenn du alles, was ich sage, nur ins Lächerliche ziehst, hat es keinen Zweck. Tschüss.«
Sie legte auf.
Ingo nahm das stumme Telefon vom Ohr, starrte es an. Da war es wieder, dieses Gefühl, das ihm nur Melanie zu bescheren verstand. Dieses Gefühl, es nie zu schaffen, ohne dass er je begriffen hätte, was es überhaupt war, das er einfach nicht hinkriegte, nicht um alles in der Welt.
Okay. Na gut. Er scrollte durch die Menüs, suchte nach dem Video, diesem verdammten Video von Neci, wie er der Fröse an die Wäsche ging. Das würde er Melanie jetzt schicken, jawohl, kommentarlos. Oder halt, besser: mit einem Kommentar. Irgendwas wie: Ein starker, mutiger Mann geht unbeirrbar seinen Weg .
Wo war es denn, verflixt?
Noch bevor er es gefunden hatte, summte plötzlich der Alarm, und eine Erinnerungsmeldung poppte auf. Er zuckte zusammen. Richtig, er musste ja Kevin ins Training begleiten. Er hatte es versprochen, und er war spät dran!
Jetzt aber los. Nicht, dass schon wieder eine Frau anfing, ihn für unzuverlässig zu halten.
Victoria Thimm hatte noch nie im Leben ein Taxi benutzt, geschweige denn, eines telefonisch bestellt. Wie man das machte, wusste sie nur aus den Romanen, die sie übersetzt hatte. Aber diese Romane spielten naturgemäß alle außerhalb Deutschlands – woher sollte sie wissen, ob die Gepflogenheiten dort nicht ganz andere waren?
Nun, sie musste sich sowieso erst einmal richtig anziehen. Und kämmen. Im Spiegel fand sie sich zu blass. Sie hätte etwas Rouge oder einen Lippenstift brauchen können, doch derlei besaß sie seit Ewigkeiten nicht mehr. Passte die Bluse zu ihrem Rock? Sie hatte da noch eine in einem anderen Blau … aber die roch muffig, oder? Hatte zu lange ungenutzt im Schrank gehangen. Und davon abgesehen: Stand ihr Blau überhaupt?
Schließlich merkte sie, was sie da tat. Dass sie es vor sich herschob.
Sie betrachtete sich in ihrem Schlafzimmerspiegel. So sah sie eben aus. Blass, weil sie selten Sonne abbekam. Unmodisch gekleidet, weil sie keinen Anlass hatte, sich um die Mode zu kümmern. Unglücklich, weil sie es war.
Sie hängte die andere Bluse zurück auf die Stange und ging zum Telefon. Suchte im Telefonbuch nach der Nummer der Taxizentrale, bis sie merkte, dass die auf jeder Seite in der Kopfzeile stand. Wählte. Sagte, als sich jemand meldete: »Guten Tag, mein Name ist Victoria Thimm. Ich benötige ein Taxi.«
»Für jetzt gleich oder für einen bestimmten Termin?« Eine geschäftig klingende Frau war am Apparat. Im Hintergrund waren viele andere Stimmen zu hören, man hatte den Eindruck allgemeiner Hektik.
»Für jetzt gleich«, sagte Victoria.
»Handelt es sich um einen Krankentransport?«
Das fand sie eine seltsame Frage. »Nein«, erwiderte sie vorsichtig, nicht sicher, ob sie damit die Wahrheit sagte.
»Okay. Wohin soll das Taxi
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