Todesengel: Roman (German Edition)
kommen?«
»Igelstraße 14, bitte.«
»Igelstraße, Wanndorf oder Igelstraße, Mooshain?«
»Wanndorf.« Sie hatte nicht gewusst, dass es noch eine Igelstraße gab.
»Wohin soll die Fahrt gehen?«
»Zur Sankt-Jakob-Kirche am Niendorfer Platz.«
Sie hörte die Frau etwas tippen, dann kam: »In Ordnung. Das Taxi kommt in etwa zehn Minuten.«
»Danke«, sagte Victoria und legte auf, war auf einmal so erschöpft, dass sie sich am liebsten erst mal hingelegt hätte.
Aber das kam jetzt natürlich nicht infrage. Zehn Minuten, das war ideal. Da würden die Tabletten gerade anfangen zu wirken. Sie stellte das Glas Wasser vor sich hin, fingerte die Schachtel auf, die seit Tagen bereitlag.
Doch dann, die dunkelgrünen Kugeln in der Hand, zögerte sie. Es fühlte sich falsch an.
Nein, beschloss sie und legte die Pillen wieder weg. Nein, sie würde ihre Gefühle nicht künstlich dämpfen, wenn sie Peter wiedersah.
Auf dem Rückweg ins Kommissariat fiel Ambick die Frage ein, die er vergessen hatte zu stellen. Bis sie ankamen, war ihm aber eine Idee gekommen, wie er trotzdem eine Antwort darauf bekommen konnte.
Eine Viertelstunde später sagte Enno, vor seinem Computer sitzend, das Schengen-Abfragesystem vor sich: »Du hattest recht. Ein Sidney James Westham ist vor knapp drei Wochen über den Flughafen Amsterdam-Schiphol nach Europa eingereist.«
Ambick nickte. »Also hat er seinem Freund auch den Pass geklaut. Das hat der bloß noch nicht bemerkt.« Er beugte sich über Ennos Schulter, betrachtete das Foto auf dem leicht schräg eingescannten US-Pass. Das Bild von Alexander Wenger fiel ihm wieder ein, das ihm dessen Eltern geliehen hatten. Er hatte es noch in der Akte, war bislang nicht dazu gekommen, es kopieren zu lassen und zurückzugeben.
Er holte es heraus, hielt es neben den Bildschirm. »Verblüffend«, sagte er. »Abgesehen von der Brille ähneln sich die beiden wie Brüder.«
»Wie kann das gehen?«, wunderte sich Enno. »Ich dachte, in US-Pässen sind auch die Fingerabdrücke gespeichert, so wie bei uns neuerdings?«
»Noch nicht durchgehend. Die alten Pässe gelten noch eine Weile. Abgesehen davon werden bei der Einreise nach Europa keine Fingerabdrücke geprüft.«
»Und die Pistolen? Wie hat er die mit rübergebracht?«
Ambicks Telefon klingelte. »Oh, da gibt es auch Tricks«, meinte er schulterzuckend und ging hinüber auf seine Seite des Schreibtisches. »Dutzende. Frag mal die Kollegen vom Zoll.« Er hob ab. »Ambick?«
Eine der Frauen aus der Telefonzentrale. Da sei ein Pfarrer, ein gewisser Peter Donsbach, der ihn persönlich sprechen wolle im Fall Todesengel.
»Stellen Sie durch.«
Gleich darauf hatte er eine helle, nervöse Männerstimme am Ohr. »Sie haben den Falschen verhaftet. Ulrich Blier ist nicht der Racheengel.«
»Sondern?«, fragte Ambick.
»Alexander Wenger.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Er hat es mir gesagt.« Schluckgeräusche. »Und ich kenne ihn seit meiner Kindheit. Ich weiß, dass es stimmt.«
Enno stand auf, gab durch ein Handzeichen zu verstehen, dass er mal kurz auf die Toilette ging. Ambick nickte. »Sie haben mir diesen Brief geschickt, nicht wahr?«
»Ich … ich dachte, ich muss Ihnen einen Hinweis geben. Damit das endlich aufhört. Die Gewalt.«
»Schön, aber da kommen Sie jetzt ein bisschen spät. Das haben wir uns inzwischen selber zusammengereimt. Warum haben Sie nicht einfach das geschrieben, was Sie mir gerade gesagt haben?«
»Das ist schwer zu erklären.« Er fügte hastig hinzu: »Aber einen anderen Hinweis kann ich Ihnen geben. Diese permanenten Schlägereien, bei denen zurzeit jeden Tag irgendwo Leute angepöbelt oder verprügelt werden, ohne dass man einen Anlass erkennt –«
»Ich weiß, was Sie meinen«, unterbrach ihn Ambick.
»Dahinter könnte ein gewisser Dominik Flach stecken. Mit seinen Kumpanen.«
»Wer ist Dominik Flach?«
»Der ältere Bruder von Philipp Flach. Einer der beiden, die beim ersten Auftreten des Racheengels getötet worden sind.«
Ambick runzelte die Stirn, während er sich den Namen notierte. »Und wozu das?«
»Das ist, was ich gehört habe«, erwiderte Donsbach ausweichend. So, als wisse er mehr, wolle es aber nicht verraten.
Na gut, der Mann war Pfarrer. Vielleicht brach er gerade das Beichtgeheimnis.
»Danke«, sagte Ambick. »Das war jetzt hilfreich. Wir kümmern uns darum.«
Als Enno wieder zur Tür hereinkam, fragte er ihn: »Sagt dir der Name Dominik Flach etwas?«
Enno furchte die Stirn.
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